Hintergrundinformationen

Wer ist Dr. Arndt Dohmen?

Dr. med. Arndt Dohmen war unter anderem Chefarzt der Hochrhein-Klinik in Bad Säckingen (Fachklinik für Gefäßerkrankungen) und ärztlicher Leiter des Interdisziplinären Gefäßzentrums Uniklinik Freiburg i. Br. Seit dem 01.01.2016 ist er pensioniert und hat bereits mehrere medizinische Auslandseinsätze in Bolivien, Afghanistan und Indien unternommen. Auch im Flüchtlingslager auf Lesbos hat Dr. Arndt Dohmen sich mit einem von uns erworbenen Handheld-Ultraschallgerät zum Wohle der Menschen eingebracht.

Dr. Arndt Dohmen auf Lesbos

Das Dhaka-Projekt

Mit dem Dhaka-Projekt bringt “German Doctors e.V.” nicht nur medizinische Hilfe in die Hauptstadt von Bangladesh. In Zusammenarbeit mit der ”Caritas Bangladesh”, einer katholischen Wohltätigkeitsorganisation, kommt den Bangladeschern auch soziale Hilfe zugute. Erfahren Sie hier mehr über das Dhaka-Projekt.

  • Projektbeginn: 1989, seit 2019 mit neuen Standorten
  • Anzahl Ärzte: In der Regel sind zwei deutsche Ärztinnen oder Ärzte vor Ort.
  • Einsätze: 548 ehren­amtliche Einsätze seit Projektbeginn
  • Patientenkontakte: Jährlich rund 17.000 Behandlungen
  • Einsatzgebiete: Region Savar, nördlich von Dhaka in Bangladesch. Die drei Ambulanz­standorte befinden sich in Jamgara, Zirabo und Vadail
  • Häufigste gesund­heitliche Probleme: Magen-Darm-Krankheiten, Bronchitis, chronisch obstruktive Lungen­erkrankung, Asthma, Diabetes, Haut­krankheiten, sexuell über­tragbare Krankheiten, Knochen- und Gelenk­schmerzen (durch das stunden­lange Sitzen an den Näh­maschinen).
  • Projektziele: die arme Bevölkerung basis­medizinisch versorgen; Schwangere, Mütter und chronisch Kranke beraten; Schulungen zur Gesund­heitsvorsorge

Die Lebensbedingungen in Dhaka

Existenzkampf in den Textilindustrie-Fabriken von Dhaka

Die Savar-Region, nördlich der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka gelegen, ist eine Ansammlung von zahlreichen Industriefabriken, die erhebliche Herausforderungen mit sich bringen. Die Umweltbelastung in dieser Zone ist alarmierend, insbesondere in Bezug auf Luft- und Wasserverschmutzung. Viele Wasserläufe zeigen auffällige Färbungen, verursacht durch die Abwässer der Fabriken, die Farbstoffe und andere Chemikalien enthalten.

Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Müll am Flussufer in Dhaka.
Verschmutzung der Umwelt durch Plastik und Müll am Flussufer in Dhaka.

Junge Erwachsene, die in die Region strömen, um Arbeit zu finden, sind oft mit den Herausforderungen des städtischen Lebens überfordert. Sie sind in behüteten Verhältnissen aufgewachsen und finden sich in der neuen Umgebung nur schwer zurecht. Wer keine Anstellung in den Textilfabriken erhält, riskiert, obdachlos zu werden, insbesondere da der Druck besteht, Geld an die Familien in der Heimat zu senden.

Auch am Standort Vadayal beginnt die Ambulanz­tätigkeit mit über 40 Patienten, von denen am Ende acht auf den Folge­tag vertröstet werden. Gegen Mittag wird eine schwer­kranke abge­magerte Frau herein­geführt, die mit gerade 30 Jahren schon vier Kinder hat und nun bei fort­schreitendem Gewichts­verlust nur noch mit Unter­stützung ein paar Schritte gehen kann. Am liebsten würde ich sie zur weiteren Abklärung gleich ins Kranken­haus schicken, aber die Erfahrungen aus meinen bisherigen Einsätzen haben gezeigt, dass unsere ambulante Versorgung für viele Menschen die einzige Möglich­keit ist.

Dr. Arndt Dohmen

Sexarbeit und Suchtproblematiken

Für viele junge Männer und Frauen, die keine alternativen Einkommensquellen finden können, erscheint die Prostitution als letzter Ausweg. Diese findet jedoch nicht in sicheren Umgebungen statt, sondern vielmehr auf den Straßen oder in den Unterkünften der Freier. Darüber hinaus geraten viele, die mit der Hoffnung auf Arbeit nach Savar kommen, in einen destruktiven Zyklus aus Verzweiflung und Drogenabhängigkeit. Unterstützungsangebote sind rar, und staatliche Einrichtungen bieten oft keine angemessene Hilfe.

Transgender-Personen haben es besonders schwer in Bangladesch; sie sind häufig Opfer von Ausbeutung und gesellschaftlicher Marginalisierung. In Kooperation mit der Caritas bietet German Doctors diesen Menschen in Ambulanzen medizinische Versorgung an und vermittelt sie bei Bedarf an spezialisierte Einrichtungen und Projekte.

Sie möchten die Arbeit von German Doctors finanziell unterstützen? Dann können Sie entweder dieses Online-Formular nutzen oder Ihre Spende an dieses Spendenkonto überweisen:

German Doctors e.V.

IBAN: DE93 3702 0500 0400 0800 02

BIC: BFSWDE33XXX

Bank für Sozialwirtschaft

6 Wochen Dhaka (26.08. – 06.10.2023) – Die persönlichen Eindrücke von Dr. Arndt Dohmen

Wieder einmal sind die sechs Wochen vorüber, in denen ich für die German Doctors in Bangladesch gearbeitet habe. Es war mein fünfter Einsatz in diesem Land und das zweite Mal in Dhaka, wo ich vor vier Jahren den Start dieses Projektes miterlebt habe. 

In diesen vier Jahren hat sich viel verändert: Während der Coronapandemie waren alle Einsätze storniert worden und so musste das Team vor Ort mehr als 2 Jahre die Arbeit alleine durchführen. In der ersten Zeit wurden dringend benötigte Lebensmittel an die Menschen in unseren Einsatzorten verteilt, dann hat das Team mit Unterstützung von ÄrztInnen aus Dhaka auch die Sprechstunden wieder aufgenommen, um die Ärmsten der Armen, die durch die Pandemie sowieso am härtesten betroffen waren, nicht auch noch mit ihren gesundheitlichen Problemen allein zu lassen. Was mich besonders beeindruckt hat: Ganz aus eigenem Antrieb wurde ein Schulungsprogramm entwickelt, mit dem besonders die Menschen mit chronischen Erkrankungen wie Diabetes und Hypertonie über ihre Erkrankung aufgeklärt werden und Anleitungen bekommen, was sie selbst in ihrem Alltag ändern müssen, um die Behandlung zu unterstützen und die fatalen Folgesymptome wie Herzinfarkt und Schlaganfall zu vermeiden. Für uns klingt das alles wie selbstverständlich, aber die Patienten unserer Zielgruppen, die zu einem erheblichen Teil Analphabeten sind, müssen erst einmal davon überzeugt werden, dass man die verordneten Medikamente auch dann einnehmen muss, wenn man von den erhöhten Blutzuckerwerten oder den zu hoch gemessenen Blutdruckwerten erst einmal gar nichts bemerkt. Die wichtigsten Basisinformationen müssen daher immer wieder neu vermittelt werden, damit für den Alltag auch etwas hängenbleibt und die notwendigen Lebensstiländerungen auch tatsächlich umgesetzt werden. Das ist für unsere Patientinnen alles andere als trivial, denn für eine gesunde Ernährung fehlt vielen das erforderliche Budget und die notwendige Bewegung lässt sich in der räumlichen Enge der Slumhütten und auf den verstopften Straßen der Megacity Dhaka nur schwer in den Alltag integrieren.

Dr. Arndt Dohmen untersucht einen Patienten in Dhaka.

Unermüdlich bieten mehrere Teammitglieder daher die Schulungen mit den wichtigsten Basisinformationen immer wieder an, sowohl für die PatientInnen, die im Wartezimmer auf ihre Behandlung warten, als auch durch Besuche in den Slumsiedlungen, wo die Sozialarbeiterinnen unseres Projekts kleine Hinterzimmer organisieren, zu denen dann alle chronisch Kranken der Umgebung eingeladen werden. Ich habe unseren Apotheker und einen unserer Übersetzer zu zwei dieser Termine begleitet und dabei gelernt, dass meine Vorstellungen von einer guten Schulung mit Nutzung moderner Unterrichtsmaterialien und interaktiver Beteiligung der TeilnehmerInnen an der Lebensrealität in den Slums scheitern würde, denn hier fällt zu jeder Gelegenheit der Strom aus, so dass neuere Medien gar nicht genutzt werden könnten. Und so ist trotz aller Unzulänglichkeit der alte Frontalvortrag mit einfachen Botschaften in diesem Setting eine immer noch brauchbare Form der Wissensvermittlung. 20 bis 30 meist ältere Frauen und sehr wenige Männer sitzen hier in einem 15 m² großen Raum auf dem Boden und hören aufmerksam zu. Und wenn es gut läuft, wird am Ende auch noch die eine oder andere Frage gestellt, die das Erlernte ein wenig vertiefen kann. 

Vor vier Jahren zum Start dieses Projekts gab es keinerlei Ansätze für solche Schulungen, heute gehören sie zur Routine unserer Sprechstunden. Angeregt hat dies eine Übersetzerin der ersten Stunde, die damals in ihrer Freizeit ein Zusatzstudium in public health absolviert hat und das dort Erlernte gleich in die Projektarbeit integriert hat.

Sehr gefreut habe ich mich, dass inzwischen auch eine Physiotherapeutin an drei Tagen der Woche zum festen Bestandteil unseres Teams geworden ist. So können wir endlich die vielen oft sogar jungen Patientinnen und Patienten mit chronischen Rückenschmerzen, die sich in den Textilfabriken oder als Rikschafahrer diese immer wieder auftretenden Dauerbeschwerden erworben haben, nicht immer nur mit symptomatischen Schmerzmedikamenten behandeln, sondern direkt mit der Physiotherapeutin in Kontakt bringen. Sie trainiert während unserer Sprechstunden meist im Rahmen einer Einzelbehandlung wichtige Übungen, die auf die Symptome der PatientInnen zugeschnitten sind und die auch in der häuslichen Umgebung weiter angewendet werden können. Die Rückmeldungen unserer Rücken- und GelenkschmerzpatientInnen auf dieses Angebot sind ausgesprochen positiv.

Dr. Arndt Dohmen untersucht eine Patientin in Dhaka.

Eine weitere Ergänzung unseres medizinischen Angebots ist ebenfalls in den letzten Jahren neu entstanden: Insgesamt 6 verschiedene Kindertagesstätten, sogenannte Daily Care Center, werden von uns regelmäßig besucht, um präventive Untersuchungen aller dort betreuten Kinder durchzuführen. Jedes der Kinder hat ein eigenes medizinisches Betreuungsheft, wird bei jedem Besuch gewogen und gemessen, so dass bei auftretender Unterernährung rechtzeitig interveniert werden kann und die Mütter bezüglich gesunder Ernährung ihres Kindes entsprechend geschult werden können. Das am häufigsten bei diesen Untersuchungen entdeckte gesundheitliche Problem ist Caries, was zu entsprechenden Informationen der Eltern über Zahnhygiene Anlass gibt.

Das Angebot an Spielzeug in den Kindertagesstätten ist sehr überschaubar. Nicht Bobbycars, Kuscheltiere, Spielzeugautos und Legobausteine prägen hier den Alltag, sondern selbst gebastelte Bälle aus Plastikmüll und leere Plastikflaschen fordern die Phantasie der Kinder heraus, mit diesen wenigen Ressourcen eigene Spiele zu entwickeln. Weder in den Kindertagesstätten noch zu Hause haben die Kinder irgendeine Möglichkeit, draußen im Freien zu spielen. Sind schon die normalen Fußgänger rechtlose Verkehrsteilnehmer, so gehen die Interessen der Kinder erst recht im täglichen Verkehrschaos der Megacity Dhaka unter. Ich habe in den sechs Wochen meines Aufenthaltes keinen einzigen Spielplatz in der Stadt gesehen, und da die vielen Hochhäuser auch nicht von Gartenflächen umgeben sind, halten sich kleine Kinder grundsätzlich nur in Innenräumen auf.

Dr. Arndt Dohmen untersucht ein Kind in Dhaka.

Savar, der Stadtteil all unserer drei Projektstandorte, weist die größte Dichte an Textilfabriken in ganz Bangladesch auf. Die Arbeit als Textilarbeiterin ist extrem anstrengend. Und auch wenn es für die Menschen hier attraktiv ist, in einer dieser Fabriken einen festen Arbeitsplatz zu bekommen, sind die Arbeitsbedingungen sehr prekär. Die tägliche Arbeitszeit beträgt 10 bis 12 Stunden, und da es in den meisten der Fabriken keine Tariflöhne gibt, ist die einzige Absicherung gegen schlimmste Formen der Ausbeutung ein gesetzlicher Mindestlohn, der bei Taka 8000 pro Monat liegt, das sind weniger als € 80,- . In den meisten Fabriken gibt es 20 Tage bezahlten Urlaub, der aber nicht am Stück genommen werden darf, sondern immer nur in kleinen Teilen. Da die Miete in einer Slumwohnung (=Einzimmerwohnung) ca. Taka 2500 bis 3000 pro Monat kostet, bleiben für alle anderen Kosten des täglichen Lebens nur Taka 5000,- übrig. 

Wenn ich die gesundheitliche Situation unserer PatientInnen mit dem Zustand 2019 vergleiche, so habe ich in diesem Jahr den Eindruck gewonnen, dass es den Menschen inzwischen etwas besser geht. Ich habe in den sechs Wochen meines Einsatzes zwar einige untergewichtige Kinder gesehen , aber keinen Fall schwerer Unterernährung, der das Leben eines Kindes hätte bedrohlich erscheinen lassen. Am ausgeprägtesten war die Unterernährung alter alleinstehender Frauen, die keine unterstützenden Familienangehörigen hatten und sich als Bettlerinnen durchs Leben schlagen mussten. Das macht auch deutlich, dass in einem Land, in dem es keine Altersabsicherung durch ein allgemeines Rentensystem gibt, die nachfolgende Generation die wichtigste Absicherung gegen Altersarmut darstellt. Und auch wenn die Geburtenrate in Bangladesch in den letzten Jahrzehnten stärker gesunken ist als in fast allen anderen Ländern der Welt, so wird die Familienplanung erst dann als beendet betrachtet, wenn mindestens ein Junge geboren worden ist. Denn nur Söhne (und Schwiegertöchter) kümmern sich um das Wohl der Eltern, Töchter sind dagegen nach der Heirat für die Versorgung der eigenen Familienangehörigen nicht mehr zuständig. 

Der Abschied aus dem Projekt hat in diesem Jahr eine andere Dimension als in all den vergangenen Jahren, denn die German Doctors haben dem lokalen Projektpartner Caritas Bangladesch zur Mitte des kommenden Jahres die Zusammenarbeit aufgekündigt. Es gab schon länger inhaltliche Konflikte zwischen den beiden Organisationen, die zunehmend unüberbrückbar geworden sind. Insbesondere in der Frage des Umgangs mit Familienplanung waren die Vorstellungen nicht miteinander vereinbar, die Caritas wollte sich innerhalb des Projektes hier nicht von den konservativsten Positionen der katholischen Kirche verabschieden hin zu einem pragmatischen Vorgehen mit ungehindertem und kostenlosen Zugang unserer Patientinnen zu allen Maßnahmen der Empfängnisverhütung. Auch die aktive Zusammenarbeit mit staatlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens hat die Caritas offenbar weitgehend boykottiert, die German Doctors sehen darin den Aufbau paralleler kirchlicher Versorgungsstrukturen, was den eigenen Prinzipien zuwiderläuft. Und so werden nun im kommenden Jahr die beiden Projekte, in denen ich die meisten meiner Einsätze absolviert habe, endgültig geschlossen. Ich kann nur hoffen, dass die vielen Menschen, die sich in mehr als 20 Jahren auf die medizinische Basisversorgung durch die German Doctors verlassen haben, nicht noch mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen.

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Autor: Dr. med. Arndt Dohmen, zuletzt aktualisiert am