Definition: Was ist Factoring für Ärzte?

Factoring ist eine kostenpflichtige Finanzdienstleistung für Ärzte, Zahnärzte, Chefärzte und sonstige Mediziner, bei der die Honorarforderungen gegenüber den Patienten an einen “Factor” verkauft werden. Das Erstellen der GOÄ Rechnungen und alle damit zusammenhängenden Aufgaben (Rechnungsversand, Zahlungseingang überwachen usw.) übernimmt der Factor (kostenpflichtig) für den Arzt. Im Gesundheitswesen ist der Factor eine medizinische Abrechnungsstelle. Die Arztpraxis profitiert von einem Liquiditäts- und Skonto-Vorteil, da das Honorar unmittelbar nach Rechnungsstellung vom Factoring-Anbieter ausgezahlt wird. Mit verbesserter Liquidität und höherem Cashflow können Eingangsrechnungen schneller beglichen werden. Der Factor übernimmt das Forderungsmanagement sowie ggf. Mahnwesen und Inkasso und macht Honoraransprüche in seinem Namen geltend.

  • Kreditor = Gläubiger von Leistungen und Lieferungen (hier der Arzt)
  • Debitor = Schuldner von Leistungen und LIeferungen (hier der Patient)
  • Zession = vertragliche Übertragung einer Forderung vom alten Gläubiger (Zedent) auf den neuen Gläubiger (Zessionar).

 Unterschieden wird zwischen:

  • echtes Factoring
    • Finanzdienstleister übernimmt auch das Zahlungsausfallrisiko (Delkredererisiko)
  • unechtes Factoring
    • Ausfallrisiko bleibt weiterhin beim Arzt

Echtes Factoring vs. unechtes Factoring: Wo ist der Unterschied?

Der Hauptunterschied zwischen echtem und unechtem Factoring liegt im Schutz vor Zahlungsausfall. Echtes Factoring unterzieht den Patienten noch vor der Behandlung einer  Bonitätsprüfung. Diese Prüfung kann mglw. mit Ihrer Arztsoftware durchgeführt werden und untersucht, ob der Patient finanziell überhaupt in der Lage ist, sich die geplante ärztliche Leistung zu leisten. Ist der Patient kreditwürdig, dann kann die Behandlung beginnen und die Arztpraxis erhält vom Factor einen Zahlungsausfallschutz. Nach der Behandlung sendet der Arzt dem Abrechnungsdienstleister die Honorarforderung per Abtretung zu. Nun kann es vorkommen, dass der Patient trotz Bonitätsprüfung bspw. aus folgenden Gründen zahlungsunfähig ist:

  • er verstirbt und seine Erbschaft hat zu wenig Deckung
  • er wird insolvent

Unabhängig vom Grund: Dieses Ausfallrisiko trägt beim echten Factoring der Factor. Der Arzt erhält sein Honorar vollständig. Echtes Factoring hat einen zusätzlichen Vorteil, auch wenn der Factor dem Arzt die Honorarabrechnung aufgrund schlechter Patienten-Bonität nicht abkauft: Denn da die Arztpraxis nun weiß, dass der Patient nicht kreditwürdig ist, kann sie sich der Sicherheit halber die Sachkosten per Vorkasse bezahlen lassen oder den Patienten ablehnen.

Echtes Factoring mit Vorfinanzierung sorgt für eine pünktliche Auszahlung der Honorare. Bei einer als GmbH oder MVZ organisierten Arztpraxis müssen Monats-, Quartals- und Jahresabschlüsse daher nicht nachberichtet werden.

Der Ausfallschutz wird allerdings nicht gestattet, wenn die Rechnung formal inkorrekt erstellt worden ist, also nicht konform mit § 12 Abs. 2 GOÄ ist, Leistungen nicht erbracht (Verität) oder sonstige Nebenabreden mit dem Patienten getroffen worden sind. Ebenso wenig durch echtes Factoring abgesichert sind fehlerhaft durchgeführte Leistungen.

Beim unechten Factoring geht die Honorarforderung treuhänderisch an die Abrechnungsstelle über und die Praxis profitiert durch das vom Factor vorfinanzierte Honorar. Zwar ist der Factor nun Eigentümer der Forderung, doch die Arztpraxis bleibt weiterhin der wirtschaftlich Berechtigte. Wurde auch nach dem Mahnverfahren das Zahlungsziel des Patienten nicht erreicht, bestimmt die Praxis die weiteren Schritte. Überweist der Patient nach ca. 100 Tagen, je nach Vertrag, das Honorar nicht, dann muss die Praxis die vorfinanzierte Summe an den Factor zurücküberweisen – es besteht kein Ausfallschutz. Empfehlenswert wäre es in diesem Fall gewesen, die Bonitätsprüfung vor Leistungserbringung durchzuführen.

Wie funktioniert Factoring im Gesundheitswesen?

  1. Der Arzt schließt mit dem Factor einen Factoring-Vertrag, in dem alle  Vertragsbestandteile festgehalten werden (Konditionen; Zeitspanne, innerhalb der das vorfinanzierte Honorar transferiert wird usw.).
  2. Der Patient unterschreibt vor der Behandlung/Untersuchung eine Einwilligungserklärung, in der er einer Bonitätsprüfung seiner Person zustimmt.
  3. Der Patient ist kreditwürdig. Infolgedessen hat der Arzt die ärztliche Leistung am Patienten nun erbracht und kann sein Honorar vom Patienten einfordern.
  4. Der Factor kauft dem Arzt die Honorarforderung ab (Zession).
  5. Der Factor finanziert dem Arzt innerhalb von ca. 2 Tagen den Großteil der Forderungssumme vor.
  6. Der Patient zahlt die Arztrechnung an den Factor.
  7. Der Factor überweist dem Arzt die Restsumme abzüglich Gebühren.
Factoring Funktionsweise Ärzte
So funktioniert Factoring für Ärzte und Patienten.

Tipp: Veranlassen Sie die Bonitätsprüfung des Patienten durch den Factor bereits vor der Behandlung. Die Überprüfung dauert in der Regel nur wenige Sekunden und bewahrt Sie vor einer Ablehnung des Forderungskaufs durch den Factor sowie finanziellen Risiken.

Vorteile und Nachteile

Kategorie Vorteile Nachteile
Finanzielles unmittelbare Liquidität nach Rechnungsstellung Zahlung einer Factoring-Gebühr plus Zinssatz pro Monat
bessere Planbarkeit durch Liquiditätsvorteil
Verbesserung des eigenen Ratings und dadurch bessere Kreditkonditionen und höhere Eigenkapitalquote
Skonto-Vorteile
Schutz gegen Zahlungsausfall
“kostenlose” Bonitätsprüfung
Praxisalltag Bürokratische Entlastung durch weniger Verwaltung und ausgelagertem Debitorenmanagement inkl. Mahnwesen und Inkasso Einholung einer schriftlichen Zustimmung des Patienten aus Datenschutzgründen ist notwendig
mehr Zeit für die Patienten
Starke Patientenorientierung, da der Factor flexible Zahlungsziele anbietet. Infolgedessen entschließen sich mehr Patienten für eine Behandlung.
weniger Stress und steigende Mitarbeiterzufriedenheit durch Arbeitsentlastung
Sonstiges / Einhaltung der Mindestvertragslaufzeit
Vorteile und Nachteile von Factoring für Ärzte

Beispielrechnung: Wie teuer ist Factoring für den Arzt?

Die Kosten für das Factoring setzen sich im Kern aus 2 Bestandteilen zusammen: die umsatzabhängige Factoring-Gebühr (ca. 2 % – 3 % der Forderungssumme) und der Zinssatz für die Dauer zwischen der Rechnungsstellung bis zum Zahlungseingang des Patienten. Einige Anbieter fordern ein Mindest-Abrechnungsvolumen. Wird dieses Volumen nicht erreicht, dann erhöhen sich die Gebühren. Echtes Factoring mit Ausfallschutz ist teurer als unechtes Factoring. Alle Kosten müssen mindestens für die Dauer der Vertragslaufzeit (meist 1 Jahr) gezahlt werden. Extrakosten, welche je nach Anbieter auch in einer Pauschale angeboten werden, fallen in der Regel an für:

  • Dokumentenprüfung (Plausibilitätsprüfung)
  • Bonitätsprüfung des Patienten
  • Monitoring der Zahlungseingänge
  • Mahnversand + ggf. Inkasso

Tipp: Vergleichen Sie mehrere Factoring-Verträge miteinander, um den besten zu finden! Wir helfen Ihnen dabei!

Die Kosten sind auch abhängig von der gewählten Zeitspanne, bis zu der das vorfinanzierte Honorar an die Arztpraxis vom Factor transferiert wird. Gängige Zeiträume sind etwa 2 – 3 Tage, 15 Tage oder auch 90 Tage. Eine Überweisung am selben Tag (Blitzüberweisung) ist mit Zusatzkosten verbunden.

Eine Beispielrechnung hinsichtlich Factoring Kosten könnte bspw. so aussehen:

  • Offener Rechnungsbetrag: 1.500 €
  • Arzt erhält vom Factor: 1.400 € sofort
  • Den Restbetrag von 100 € abzüglich der Factor-Gesamtkosten erhält der Arzt vom Factor, nachdem der Patient den Rechnungsbetrag an den Factor überwiesen hat
  • Factoring-Gebühr: 1,5 % auf Rechnungsbetrag
  • Factoring-Zinssatz: 4 % p.a. auf die vorfinanzierte Summe
  • Patient begleicht die Rechnung nach 30 Tagen
  • Kosten: Gebühr = 22,50 € 
  • Kosten: Zins = 3,28 € 
  • Kosten insgesamt: 25,78 €
  • Ausgezahlter Restbetrag: 100 € – 25,78 € = 74,22 €

Wann lohnt sich Factoring für Ärzte?

Factoring lohnt sich dann für eine Arztpraxis, wenn diese schnell Liquidität aus offenen Honorarforderungen erhalten möchte. Je stärker man auf seinen Cashflow angewiesen ist, desto zügiger sollte das Honorar vom Factor vorfinanziert werden.

Echtes Factoring mit Ausfallschutz eignet sich für sicherheitsorientierte Ärzte, deren Patientenstamm aus vielen säumigen Patienten besteht. Ein säumiger Patient ist ein Patient, der auch nach einem (gerichtlichen) Mahnverfahren die Honorarforderung nicht bezahlt. Für risikobewusste Ärzte, die lediglich liquide sein wollen und wenig bis gar keine nicht-zahlenden Patienten behandeln, ist eher unechtes Factoring von Interesse.

Factoring lohnt sich für Praxen mit hohen Sachkosten (z. B. Fremdlaborkosten bei Zahnärzten, in Laserzentren, Kinderwunschkliniken) und kein Kostenträger hinter dem Patienten steht (z. B. in der Ästhetischen Medizin). Wollen Sie als GmbH Ihre Bilanz verkürzen? Auch dann ist Factoring lohnend.

Vor allem Praxisneugründungen oder Praxen, die neu übernommen worden sind, können von Factoring profitieren. Der Grund: Sie wollen schnellstmöglich liquide sein, um die Praxis mit planbaren Einkommen finanziell abzusichern. Zudem müssen sich neue Arztpraxen Ihren Patientenstamm erst aufbauen und sollten sich um einen Ausbau der Patientenbindung bemühen. Dies ist jedoch nur dann realisierbar, wenn genügend Zeit in den Patienten und nicht zu für Verwaltung, Controlling, Personalführung und Abrechnung investiert wird. Das Outsourcing des zeitaufwendigen Abrechnungswesen an einen Dienstleister hilft Ihnen dabei. Außerdem sind alle Arztpraxen (auch alteingesessene) vom MFA-Mangel betroffen, sodass das Auslagern der Abrechnung an eine Abrechnungsstelle insbesondere für jene Praxen eine spürbare Entlastung mit sich bringt. Müssen Sie als Arzt Ihre Abrechnung selber machen und fühlen sich überfordert, dann kann Factoring die Lösung sein.

Überwiegend Zahnarztpraxen nutzen Factoring, da in der Zahnmedizin relativ viele gesetzlich Versicherte auch private Eigenanteile tragen müssen. “Neben dem Medizingeräteleasing ist Factoring für Ärzte und Kliniken das wichtigste Instrument, liquide und flexibel zu bleiben”, so Bfm-Vorstand (Bundesverband Factoring für den Mittelstand)  Michael Ritter.

Factoring treibt die Digitalisierung in der Arztpraxis voran. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn der Abrechnungsdienstleister neben der monatlichen Abrechnung das gesamte Rechnungswesen digitalisiert. Das monatliche Reporting bietet überdies Ansätze zur Verbesserung von Abläufen, was unterm Strich „immer echtes Geld bringt“, so VfH-Geschäftsführer (Verrechnungsstelle für Heilberufe GmbH) Reil.

Was müssen Ärzte beim Factoring unbedingt beachten?

  1. Bevor Sie Patientendaten zum Zwecke der Abrechnung an einen externen Abrechnungsservice übersenden, müssen Sie sich aus Gründen des Datenschutzes und der ärztlichen Schweigepflicht die schriftliche Einwilligung des Patienten einholen. Eine entsprechende Einwilligungserklärung erhalten Sie als Vordruck vom Factoring-Dienstleister.
  2. Im Optimalfall führen Sie die Bonitätsprüfung des Patienten vor Beginn der Behandlung durch. Nur so können Sie wissen, ob die spätere Honorarforderung vom Factoring-Anbieter aufgekauft wird. Diesen Schritt sollten Sie fest in Ihren Praxisablauf integrieren.
  3. Als Arzt müssen Sie sich keine Sorgen darüber machen, dass die Zusammenarbeit mit einem externen Abrechnungsdienstleister möglicherweise das Vertrauen Ihrer Patienten in Ihre Praxis beeinträchtigt. Dies ist kein Zeichen von Überforderung, sondern von Patientenservice! Klären Sie Ihre Patienten proaktiv darüber auf: Heben Sie die Vorteile der zinslosen Ratenzahlung für Patienten hervor. So können Sie Patienten auch für die Inanspruchnahme teurer ärztlicher Leistungen motivieren. 
  4. Zu einer ausführlichen Dokumentation der erbrachten Leistung sind Sie als Arzt nicht nur gemäß § 630f BGB („Patientenrechtegesetz“) verpflichtet, sondern Sie hilft Ihrem Abrechnungsdienstleister auch bei der Nachvollziehung des gewählten GOÄ Faktors. Mit dem Steigerungsfaktor können die Einfachsätze einer Behandlung oder Untersuchung, wenn sie besonders zeitaufwendig oder schwierig war, multipliziert werden.

Rechnungsempfänger der Privatabrechnung sind vor allem Privatpatienten, in einigen Fällen aber auch Kassenpatienten (Selbstzahler). Nicht privat Versicherte können z. B. dann nach GOÄ abgerechnet werden, wenn der Patient eine Behandlung auf eigene Kosten wünscht und dies vorab schriftlich bestätigt.

Wie verbreitet ist Factoring in deutschen Arztpraxen?

Vergleicht man die Verteilung des Factoring-Geschäfts über alle Branchen hinweg in Deutschland, dann war das Gesundheitswesen mit 16,6 % im Jahr 2021 die zweitwichtigste Branche für Factoring-Anbieter. Nur im Handel/Handelsvermittlung war die Verbreitung mit 20,5 % größer.

Statistik: Verteilung des Factoring-Geschäfts in Deutschland im Jahr 2021 nach Branchen
Verteilung des Factoring-Geschäfts in Deutschland im Jahr 2021 nach Branchen | Quelle: Statista

Factoring wird im Gesundheitswesen immer wichtiger – es ist ein überproportionaler Zuwachs bis zu 12 % pro Jahr zu verzeichnen. Hingegen wächst die Gesamtbranche im Durchschnitt lediglich um 7 %. Der Umsatz der Gesamtbranche betrug im Jahr 2021 280 Mrd. €, also 8,2 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Die Tendenz ist steigend, zumal das BIP im Medizinsektor aufgrund von medizinischem Fortschritt und demographischem Wandel stärker wächst als bspw. im Industriesektor. In Skandinavien oder England liegt die Quote allerdings bei 14 %. In Deutschland werden die Zahlungsziele mit 30 bis 90 Tagen immer länger. In Italien sind es sogar bis zu 120 Tage. Dass die Anzahl an Factoringgebern in Deutschland nicht steigt, liegt am hohen Eigenkapitalbedarf und der hohen Regulatorik, die Bundesbank und Bafin immer strenger kontrollieren. Ein Beispiel: Für GmbH’s sind ab 2024 mindestens 2 Geschäftsführer vorgeschrieben, unabhängig von Größe und Bedarf eines Anbieters. Dies begünstigt eher Fusionen und schreckt Newcomer ab.

Factoring nutzen hauptsächlich Zahnarztpraxen, genauer gesagt mehr als ein Drittel aller niedergelassenen Zahnärzte – Tendenz steigend. Grund hierfür ist u. a. die zunehmende Arbeitsbelastung infolge der steigenden Anzahl an Rechnungen mit Eigenanteil.

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Autor: Nils Buske, zuletzt aktualisiert am