Praxiswertermittlung: Wie berechnet man den Wert einer Praxis?

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Was ist Praxiswertermittlung?

Die Praxiswertermittlung ist ein objektives Verfahren, nach dem der Wert einer Praxis ermittelt wird. In den Gesamtwert fließen der materielle und der immaterielle Praxiswert ein. Das Ergebnis ist eine Schätzung und wird meist bei der Festlegung des Kaufpreises/Verkaufspreises im Rahmen einer Praxisübernahme durch den Praxisnachfolger relevant bzw. es schafft die Verhandlungsbasis. Bei der Praxisbewertung stehen dem Gutachter wiederum verschiedene Berechnungsmethoden zur Auswahl, wobei das modifizierte Ertragswertverfahren präferiert wird. Gegenstand einer Praxiswertermittlung sind Arztpraxen jedweder Art, also auch Zahnarztpraxis, Physiotherapiepraxis usw.

Wer ermittelt den Wert einer Arztpraxis?

  • Gutachter
  • Sachverständiger
  • Steuerberater
  • betriebswirtschaftlicher Beratungsservice der KV (Kassenärztliche Vereinigung)
  • Wirtschaftsprüfer

Wann wird eine Praxiswertermittlung durchgeführt?

  • Praxiskauf bzw. Praxisverkauf
    • Der Praxiswert wird benötigt, um einen angemessenen Preis festzulegen bzw. verhandeln zu können
  • Beteiligung an Sozietäten (auf neudeutsch “Berufsausübungsgemeinschaft”)
    • Bestimmung des Anteilwertes.
  • im Rahmen der Praxisgründung bzw. Praxisfinanzierung, konkret beim Erstellen von Geschäfts- und Finanzplänen
    • Der Kreditgeber (Bank) muss wissen, auf was er sich einlässt, um einen Praxiskredit gewähren zu können.
  • Zugewinnausgleich bei Ehescheidungen
  • Insolvenz
  • Tod des Praxisinhabers
  • Verteilung von Vermögenswerten im Rahmen einer Erbschaft
  • Vermögensauskunft (z. B. wenn man Schulden bei einer Bank hat)
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Welche Komponenten beeinflussen die Praxiswertermittlung?

Im Rahmen der Praxiswertermittlung bewertet der Gutachter nicht nur den materiellen Praxiswert (Substanzwert), sondern auch die immateriellen Vermögensgegenstände (Goodwill, ideeller Praxiswert). Doch worin liegt der Unterschied zwischen diesen beiden Komponenten?

Der materielle Praxiswert setzt sich aus dem Anlagevermögen und dem Umlaufvermögen einer Arztpraxis zusammen. Ermittelt wird dieser entweder über das Anlageverzeichnis aus der Gewinn- und Verlustrechnung oder die Bilanz der jeweils zu bewertenden Arztpraxis. Angesetzt wird hierbei nicht der in die Vergangenheit gerichtete Zeitwert (Anschaffungswert abzüglich der planmäßigen Absetzung für Abnutzung, sondern der Ausgabenersparniswert/Nutzwert/Value in use (inkl. Berücksichtigung von technischen Neuerungen, amtlichen Auflagen und Preisentwicklung). Folgende Beispiele sind materielle Wirtschaftsgüter und dem Substanzwert zuzuschreiben:

  • Grund und Boden
  • Räumlichkeiten (inkl. Umbauten)
  • (Gebrauchte) medizinische Geräte
  • IT-Infrastruktur
  • Praxiseinrichtung (Möbel, Lampen, Telefonanlage, Empfangstheke usw.)
  • Verbrauchsmaterial und Praxisbedarf/Laborbedarf (Spritzen, Handschuhe, chirurgische Instrumente usw.)
  • Kraftfahrzeuge
Materielle und Immaterielle Vermögensgegenstände
Unterschied zwischen materiellen und Immateriellen Vermögensgegenständen.

Hinzu kommt die Berechnung immaterieller Vermögensgegenstände. Vielerorts fasst man den Begriff “Praxiswert” ähnlich dem Geschäfts- oder Firmenwert auf. Aufgrund der freiberuflichen Tätigkeit des Arztes differenziert das BFH-Urteil vom 13.3.1991 (I R 83/89, BStBl II 1991, 595) jedoch zwischen Geschäftswert und Praxiswert. Im Gegensatz zu einem Gewerbebetrieb basiert der Erfolg einer Arztpraxis hauptsächlich auf dem Vertrauen der Patienten.

Der Praxiswert wird beschrieben als Mehrwert, der den Substanzwert abzüglich Verbindlichkeiten/Schulden übersteigt. Immaterielle Vermögensgegenstände verkörpern die Aussicht auf zukünftige Gewinne und sind untrennbar mit der Arztpraxis verbunden. Der ideelle Wert wird bestimmt durch z. B:

  • Lage der Praxis
  • Ärztedichte bzw. Konkurrenzsituation
  • Organisationsstrukturen
  • Bekanntheitsgrad
  • Reputation
  • Patientenstamm
  • Anteil an Privatpatienten
  • Fähigkeiten und Fertigkeiten der Mitarbeiter
  • Qualitätsmanagement (ISO 9000 ff)

Der ideelle Praxiswert ist von großer Bedeutung, macht er doch im Durchschnitt etwa zwei Drittel des gezahlten Übernahmeentgelts aus. Weitere Informationen im Schnellüberblick:

  • Der Mandantenstamm kann, anders als der Praxiswert, als selbstständiges Wirtschaftsgut übertragen werden (vgl. BFH vom 18.12.1996, BStBl II 1997, 546).
  • Dies gilt auch für den Patientenstamm von gesetzlich versicherten Kassenpatienten (vgl. BFH Urteil vom 9.8.2011, VIII R 13/08, BStBl II 2011, 875).
  • Die Vertragsarztzulassung ist in der Regel kein weiteres eigenständiges Wirtschaftsgut (vgl. BFH vom 9.8.2011, BStBl II 2011, 875, BFH Urteil vom 21.2.2017, VIII R 7/14, BStBl II 2017, 689).
  • Ist die Vertragsarztzulassung ausnahmsweise alleiniger Gegenstand des privatrechtlichen Übertragungsvertrages, so konkretisiert sich der Vorteil aus dieser zu einem selbstständigen WG, das mangels Abnutzung nicht abschreibungsfähig ist (BFH Urteil vom 21.2.2017, VIII R 56/14, BStBl II 2017, 694).

Wie wird eine Praxiswertermittlung durchgeführt?

Modifiziertes Ertragswertverfahren

Für die Bewertung von Arztpraxen können verschiedene Verfahren angewandt werden. Branchenüblich ist das modifizierte Ertragswertverfahren, welches sich am IDWS 1 2008-Standard des Instituts der Deutschen Wirtschaftsprüfer orientiert. Es ist eine auf die Spezifika von einer Arztpraxis und Zahnarztpraxis angepasste Variante des herkömmlichen Ertragswertverfahrens. Am 9.2.2011 hat der Bundesgerichtshof geurteilt (Az.: XII ZR 40/09), dass die herkömmliche reine Ertragswert-Methode unzureichend ist: Die Bewertung einer freiberuflichen Praxis erfolgt grundsätzlich auch nicht nach dem reinen Ertragswertverfahren, weil sich eine Ertragsprognose kaum von der Person des derzeitigen Inhabers trennen lässt und der Ertrag von ihm durch unternehmerische Entscheidungen beeinflusst werden kann.

Auch das Bundessozialgericht sieht das modifizierte Ertragswertverfahren als “grundsätzlich geeignet” bei der Ermittlung des Verkehrswertes einer Praxis an (Urteil vom 14. 12. 2011 – B 6 KA 39/10 R).

Praxiswert-Ermittlung Modifiziertes Ertragswertverfahren Ärztekammermethode
Verfahren Zukünfitge Gewinne werden für einen bestimmten Zeitraum in der Zukunft prognostiziert, so genanntes „Abzinsen“ 1987 unter dem Namen „Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen“ von der Bundesärztekammer veröffentlicht
Abzinsen: Wert zukünftiger Gewinne wird in der Gegenwart bestimmt durch Berücksichtigung von Zinsen und Zinseszinsen Berechnung Durchschnittsumsatz unter Berücksichtigung von einem kalkulatorischen Arzt-Lohn
Modifikation: Substanzwert der Praxis wird bei der Bewertung berücksichtigt Grundlage ist der durchschnittliche Jahresumsatz in den letzten drei Jahren vor der Praxisübergabe
Vorteile Zeitraum der Bewertung wird realisitisch für die Arzt-Praxis gewählt Konzentration auf Umsatzpotential der Praxis
Berücksichtigt Zinsen, Zinseszinsen und Substanzwert der Praxis Berücksichtigt materiellen und immateriellen Praxiswert
Nachteile Unternehmergehalt stellenweise willkürlich mit 35 Prozent bestimmt Vergangenheitsorientiert
Angebot und Nachfrage bestimmten den Wert Praxiswert wird nicht berechnet
Zukunftsprognose Nur Umsätze, nicht tatsächliche Gewinne berücksichtigt
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Ärztekammermethode – Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen

Die aus dem Jahr 1987 “Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen” (Ärztekammermethode, Bundesärztekammermethode) wurde seitens der Bundesärztekammer nie offiziell verabschiedet und seitdem auch nicht mehr an rechtliche und betriebswirtschaftliche Entwicklungen angepasst worden. Ende 2008 wurde diese Richtlinie reformiert und die Neufassung trägt den Namen “Hinweise zur Bewertung von Arztpraxen”. Während die alte Richtlinie “in die Vergangenheit schaut“, ist die Neufassung eine in die Zukunft gerichtete Analyse.

Der Vorteil der reformierten Ärztekammermethode ist, dass sie nicht allein umsatzbezogen erfolgt, sondern auch Praxiskosten und kalkulatorisches Arzt Gehalt/Unternehmerlohn mit berücksichtigt. Der ideelle Wert spiegelt den nachhaltig erzielbaren Gewinn im Prognosezeitraum wider. Die Formel setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen:

  • übertragbarer Umsatz
    • durchschnittliche Jahresumsatz aus den letzten drei Kalenderjahren vor dem Kalenderjahr der Praxiswertermittlung
  • übertragbare Kosten
    • durchschnittlichen Praxiskosten in den letzten drei Kalenderjahren vor dem Kalenderjahr der Praxiswertermittlung
  • übertragbarer Gewinn
    • übertragbaren Umsatz reduziert um die übertragbaren Kosten
    • Gewinn vor Steuern
  • Alternatives Arztgehalt
    • der übertragbare Gewinn wird um das Arztgehalt gemindert
  • Nachhaltig erzielbarer Gewinn
    • der übertragbare Gewinn abzüglich des Arztgehalts
  • Prognosemultiplikator
    • Anzahl der Jahre, in denen von einer Patientenbindung durch die Tätigkeit des bisherigen Praxisinhabers ausgegangen werden kann
  • Weitere Faktoren
    • BÄK geht davon aus, dass diese Faktoren den ideellen Praxiswert um maximal 20 % verändern
    • zu diesen Faktoren gehören: Standort der Praxis, Praxisstruktur, Arztdichte usw.
    • Kassenzulassung ist nicht veräußerlich, kann aber wertbeeinflussend sein

Ein Beispiel für solch eine Rechnung hat man hier aufgemacht bzw. eine Beispielrechnung von der KZBV aufgegriffen:

Annahmenübertragbarer Umsatz 95%, übertragbare Kosten 95%übertragbarer Umsatz 90%, übertragbare Kosten 95%
Durchschnittlicher Umsatz (s.o.)360.000 €360.000 €
./. Korrekturbeträge18.000 €36.000 €
= übertragbarer Umsatz342.000 €324.000 €
./.  übertragb. Kosten (100%=249.000 €)237.000 €237.000 €
./. übertragb. Kosten (100%=249.000 €)105.000 €87.000 €
= übertragbarer Gewinn76.000 €76.000 €
./.  Fach(zahn-)arztgehalt29.000 €22.000 €
= erzielbarer Gewinn22
mal Prognosefaktor58.000 €22.000 €
= Immaterieller Wertnicht erfasstnicht erfasst
Immaterieller Wert, gesamt58.00022.000

Neben dem modifizierten Ertragswertverfahren und der Ärztekammermethode gibt es noch weitere Verfahren, wie man den Praxiswert ermitteln kann: 

  • Ermittlung des Goodwills
    • Umsatzmethode
    • Gewinnmethode
    • Goodwillermittlung nach den Richtlinien des VFK-Verbandes
    • Gemischte Umsatz- und Gewinnmethode (GUG)
    • IBT-Methode
  • Ermittlung des Ertragswertes
    • Ertragswertmethode
    • Methode des Übernahmevorteils
    • Methode der Übergewinnverrentung / -kapitalisierung
    • Mittelwertmethode (Praktikermethode)
    • Methode Schnettler
    • Methode der KV Westfalen-Lippe
  • Gemischte Bewertungsmethoden
    • Gemischte Umsatz- und Übergewinnverrentungsmethode 
    • Stuttgarter Verfahren
  • Discounted-cash-flow-Methode
    • Equity-Methode
    • Entity-Methode

Faustformel Praxiswert

Die Bewertung einer Arztpraxis ist eine komplexe Aufgabe, die nicht nur bei Praxisverkäufen, sondern auch bei Kooperationen oder rechtlichen Auseinandersetzungen, wie etwa bei Scheidungsverfahren, von großer Bedeutung ist. Um den Wert einer Praxis zutreffend zu bestimmen, wird manchmal eine Faustformel herangezogen. Diese Methode liefert jedoch nur eine grobe Orientierung und sollte stets mit Vorsicht betrachtet werden.

Die Faustformel zur Ermittlung des Praxiswertes lautet häufig:

  • 1 Jahresumsatz
  • 1 Jahresgewinn
  • 50 % vom Umsatz
  • und so weiter

Die Anwendung der Faustformel hat jedoch klare Grenzen. Wichtige Aspekte wie die Praxisgröße, die Gewinnmarge, das Potenzial für zukünftige Erträge und der Goodwill einer Praxis werden oft nicht adäquat berücksichtigt. In der Praxis wird deshalb von der ausschließlichen Anwendung solcher Faustformeln abgeraten, insbesondere wenn es um ernsthafte finanzielle oder rechtliche Entscheidungen geht.

Nach welcher Methode die Bewertung im Einzelnen zu erfolgen hat, regelt das Gesetz nicht. Sie sachverhaltsspezifisch auszuwählen und anzuwenden ist Sache des – sachverständig beratenen – Tatrichters. Seine Entscheidung kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob sie gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt oder sonst auf rechtsfehlerhaften Erwägungen beruht.

BGH Urteil XII ZR 40/09

Praxiswert Abschreibung

Der derivative Praxiswert, also der entgeltlich erworbene Praxiswert, ist ein abnutzbares Wirtschaftsgut. Gemäß § 5 Abs. 2 EStG können an diesem Absetzungen für Abnutzung vorgenommen werden. Der selbst geschaffene (originäre) Praxiswert darf hingegen nicht abgeschrieben werden. Der Grund hierfür ist, dass der Praxiswert nicht auf unternehmerischen Organisationsleistungen, sondern auf der persönlichen Arzt-Patient-Beziehung beruht. Der derivative Praxiswert ist deswegen ein abnutzbares Wirtschaftsgut, da nach dem Ausscheiden des bisherigen Praxisinhabers das Vertrauensverhältnis zu den Patienten zwangsläufig endet, mit der Folge, dass sich der Praxiswert verhältnismäßig rasch verflüchtigt (BFH Beschluss v. 29.04.2011 – VIII B 42/10).

Wegen der weiteren Mitwirkung des bisherigen Praxisinhabers ist typisierend davon auszugehen, daß die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines derivativ erworbenen „Sozietätspraxiswerts“ doppelt so lang ist wie die Nutzungsdauer des Werts einer Einzelpraxis. Letztere beträgt zwischen drei und fünf Jahren. Bei Ersterem beträgt die Nutzungsdauer sechs bis zehn Jahre, wobei es in diesem konkreten Fall acht Jahre waren. In diesem Fall ging es um den Zusammenschluss einer Tierarztpraxis zur Rechtsform Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BFH, 24.02.1994 – IV R 33/93).

FAQ

Wie viel kostet eine Praxis?

Die Übernahme einer Hausarztpraxis kostete im Jahr 2019/2020 im Durchschnitt 169.300 € (inkl. Modernisierungsmaßnahmen und zusätzliche Ausstattung). Eine Praxisneugründung auf dem Land kostet hingegen 205.000 €. Die Neugründung einer Zahnarzt-Einzelpraxis kostete im Jahr 2016 im Durchschnitt 470.000 €, während die Übernahme lediglich 284.000 € kostete.

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