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Inhaltsverzeichnis
Was ist ein 12 Kanal EKG?
Ein 12 Kanal EKG (auch 12 Pol EKG genannt) ist eine kardiologische Untersuchung, bei der ein Elektrokardiogramm (EKG) mit 12 Ableitungen simultan vom Patienten aufgezeichnet wird. Erfasst wird hierbei die elektrische Aktivität des Herzens, die als Ausdruck auf Millimeterpapier oder digital am Computer/Tablet ausgegeben wird. Das 12 Kanal EKG hat sich in der Allgemeinmedizin, Sportmedizin, Notfallmedizin und in der Kardiologie als Standard etabliert.
Warum macht man ein 12 Kanal EKG?
Ein 12 Kanal EKG misst, wie regelmäßig das Herz schlägt (Herzrhythmus), wie oft es pro Minute schlägt (Herzfrequenz) und wie die Erregungsbildung, -ausbreitung/-richtung (Lagetyp) und -rückbildung des Herzens vonstatten geht. Der Arzt kann anhand der gewonnen Informationen zwischen einem normalen EKG und einem abnormalen EKG unterscheiden. Anomalien (abnormale Veränderungen) können Anzeichen für folgende Herzerkrankungen sein:
- Verengung der Herzkranzgefäße, Ischämie
- Bluthochdruck
- Herzschwäche
- Herzrhythmusstörungen wie z. B. Vorhofflimmern
- Herzinfarkt
Verspüren Sie Herzrasen, ein Engegefühl/Schmerzen in der Brust, Herz-Kreislauf- oder sonstige Herzbeschwerden, dann empfiehlt sich eine EKG-Untersuchung. Konsultieren Sie in diesem Fall Ihren Hausarzt/Notarzt.
Ein 12 Kanal EKG kann auch routinemäßig im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von Krankheiten (Gesundheits-Check-up) zur Anwendung kommen.
Ebenso kann ein 12 Kanal EKG vor einer Operation geschrieben werden. Dies betrifft Patienten mit (Symptomen von) Herzbeschwerden oder Träger eines implantierten Defibrillators (ICD). Auch nach einer Operation oder zur Verlaufskontrolle von Herzerkrankungen bzw. zur Überwachung der Medikamentenwirkung kann ein EKG angeordnet werden.
Ein 12 Kanal Langzeit EKG kann bei speziellen Fragestellungen veranlasst werden. Dies ist z. B. dann der Fall, wenn die Morphologie von Rhythmusstörungen (z. B. Kammertachykardien) eine Rolle bei der weiteren Therapieplanung spielt.
12 Kanäle können je nach Modell in allen drei Geräteklassen geschrieben werden: Ruhe-EKG-Gerät, Belastungs-EKG-Gerät und Langzeit-EKG-Gerät.
Wie funktioniert ein 12 Kanal EKG?
Für ein 12 Kanal EKG werden Elektroden an definierten Körperstellen befestigt. Die Elektroden messen die elektrischen Signale des Herzens, genauer gesagt des im rechten Vorhof befindlichen Sinusknoten. Der Sinusknoten ist der Taktgeber des Herzens und steuert den Herzschlag über das regelmäßige Auslösen elektrischer Impulse. Die sich im Herzmuskel ausbreitenden elektrischen Erregungen sind auf der Hautoberfläche messbar. Die einzelnen Elektroden leiten die elektrischen Potentiale an der Stelle ab, wo sie aufgeklebt sind. Anschließend werden die Potenziale der einzelnen Elektroden ins Verhältnis zueinander gesetzt und aufgezeichnet. So ergeben sich die zwölf verschiedenen Ableitungen.
Anschließend werden die von den Elektroden gemessenen elektrischen Potentiale an ein 12-Kanal-EKG-Gerät weitergeleitet. Das Gerät spiegelt den zeitlichen und örtlichen Verlauf der elektrischen Erregungsvorgänge in Form von Wellen, Zacken und Strecken in einem Elektrokardiogramm wieder. Das Ausgabemedium ist abhängig vom EKG-Gerät: Während ein analoges EKG-Gerät das 12 Kanal EKG auf Millimeterpapier ausdruckt, visualisieren digitale PC-EKG-Geräte das Elektrokardiogramm digital am PC.
12 Kanal EKG Ableitungen
Das 12 Kanal EKG misst 12 Standardableitungen, die sich aus 6 Extremitätenableitungen und 6 Brustwandableitungen zusammensetzen. Im Einzelnen sind das 3 verschiedene Ableitsysteme: drei bipolare Extremitätenableitungen nach Einthoven (I, II, III), drei aus den Einthoven-Ableitungen konstruierten unipolaren Extremitätenableitungen nach Goldberger (aVR, aVL, aVF) und sechs unipolare Brustwandableitungen nach Wilson (V1 bis V6).
Eigenschaft | Brustwandableitungen | ||
Bezeichnung | Nach Einthoven | Nach Goldberger | Nach Wilson |
Elektroden | I, II, III | aVR, aVL, aVF | V1, V2, V3, V4, V5, V6 |
Messtechnik | Bipolar | Unipolar | Unipolar |
Ableitungspunkte | Obere und untere Extremitäten | Konstruiert aus I, II, III | Brustwand C1 bis C6 |
Projektion | Herzferne Potenziale Frontalebene | Herznahe Potenziale Horizontalebene |
Die Ableitungen unterscheiden sich in der Abnahmetechnik und in der räumlichen Hinsicht: Bipolare Ableitungen sind Ableitungen zwischen zwei Punkten. Bei unipolaren Ableitungen hingegen ist die differente Elektrode gegen eine sog. Nullelektrode (Sammelelektrode) geschaltet. Die Nullelektrode entsteht durch den Zusammenschluss der Extremitätenableitungen über hochohmige Widerstände. Einen räumlichen Einblick vermitteln die Extremitätenableitungen auf der Frontalebene und die Brustwandableitungen auf der Horizontalebene.
Was unterscheidet ein 12 Kanal EKG von anderen Kanal-Arten? Aus einem 12 Kanal EKG können mehr Informationen gewonnen werden als z. B. aus einem 6-Kanal oder 1-Kanal-EKG. Je mehr Ableitungen, desto aussagekräftiger ist das EKG für diagnostische oder therapeutische Maßnahmen.
Einthoven Ableitungen
Die bipolaren Extremitätenableitungen nach Einthoven messen die Potentialdifferenz zwischen zwei Elektroden. Alle drei Ableitungen liegen in der Frontalebene (auch “Einthoven Dreieck” genannt) und registrieren die Ableitungen I, II und III:
- Ableitung I: zwischen linkem und rechtem Arm
- Ableitung II: zwischen linkem Bein und rechtem Arm
- Ableitung III: zwischen linkem Bein und rechtem Arm
Für die Einthoven Ableitungen müssen 4 Elektroden am Körper des Patienten angebracht werden:
- R: rechter Arm (Handgelenk Innenseite) = roter Stecker
- L: linker Arm (Handgelenk Innenseite) = gelber Stecker
- F: linker Fuß (über dem Fußgelenk) = grüner Stecker
- N: rechter Fuß (über dem Fußgelenk) = schwarzer Stecker (Erdung)
Goldberger Ableitungen
Die unipolaren Extremitätenableitungen nach Goldberger bestehen aus aVR (augmented Voltage Right), aVL (augmented Voltage Left) und aVF (augmented Voltage Foot). Augmented Voltage bedeutet verstärktes Potenzial. Die Potentialdifferenz in der Frontalebene wird bei jeder Goldberger Ableitung zwischen einer Elektrode an der Extremität und einem „elektrischen Nullpunkt“ ermittelt, der auf dem Mittelpotenzial zwischen den beiden übrigen Extremitäten liegt:
- aVR: R – L + F/2
- aVL: L – F + R/2
- aVF: F – L + R/2
Das Kleben der 3 Elektroden für die Goldberger-Ableitungen erfolgt auf dieselbe Weise wie bei den Einthoven-Ableitungen:
- aVR Ableitung
- rote Elektrode R an den rechten Arm kleben
- aVL Ableitung
- gelbe Elektrode L an den linken Arm kleben
- aVF Ableitung
- grüne Elektrode F an den linken Fuß kleben
- Erdungselektrode N an den rechten Fuß kleben
Zwar spricht man allgemein von „12 Kanal EKG kleben“, doch viele Arztpraxen nutzen Saugelektroden und Sauganlage, anstatt Klebeelektroden. Dank Vakuumpumpe können Saugelektroden nicht verrutschen und sie sind umweltfreundlicher als Einweg-Elektroden.
Wilson Ableitungen
Für die 6 Ableitungen nach Wilson werden 6 differente Elektroden (V1 bis V6) auf den Thorax (Brustkorb) geklebt. Als Sammelelektrode (indifferente Elektrode) werden die
drei Extremitätenableitungen über einen hochohmigen Widerstand zusammengeschlossen. Der sogenannte “Wilson-Stern” (auch “central terminal” genannt) bildet den elektrischen Nullpunkt. Durch die Nähe zum Herzen sind die Amplituden der Brustwandableitungen größer als die der Extremitätenableitungen.
Die Elektroden werden für die Wilson Ableitungen wie folgt auf den Brustkorb geklebt:
- V1: vierter ICR (Intercostalraum), rechts parasternal / 4. ICR am rechten Rand des Sternum
- V2: vierter ICR, links parasternal / 4. ICR am linken Rand des Sternum
- V3: mittig zwischen V2 und V4 auf der fünften Rippe
- V4: fünfter ICR, auf der Medioklavikularlinie
- V5: auf der Höhe von V4, vordere Axillarlinie
- V6: auf der Höhe von V4, mittlere Axillarlinie
In Ergänzung zum Wilson Ableitsystem können z. B. bei Verdacht auf einen Hinterwandinfarkt weitere Ableitungen gemessen werden, indem zusätzliche posteriore bzw. dorsale Elektroden geklebt werden:
- V7: fünfter ICR, hintere Axillarlinie
- V8: fünfter ICR, Skapularlinie
- V9: fünfter ICR, in der Paravertebrallinie
Bei Verdacht auf eine Beteiligung des rechten Ventrikels können weitere Elektroden geklebt werden:
- VR3: zwischen V1 und VR4
- VR4: im 5. ICR auf der Medioklavikularlinie
- VR5: vordere Axillarlinie, Höhe VR4
- VR6: mittlere Axillarlinie, Höhe VR4
12 Kanal EKG anlegen: So geht’s richtig!
Lernen Sie hier, wie man ein 12 Kanal richtig anlegt.
Gesamtzeit: 10 Minuten
Vorbereitung
Für ein 12 Kanal EKG wird ein 12 Kanal EKG Gerät, 10 Elektroden mit dazugehörigen Kabeln sowie Elektroden-Gel/-Spray benötigt. Um eine bestmögliche Diagnose zu gewährleisten, sollte der Patient ruhig auf einer Behandlungsliege liegen. Sorgen Sie für einen wohltemperierte Umgebung, damit die Skelettmuskulatur des Patienten nicht vor Kälte zittert, denn das verfälscht das EKG. Nicht notwendige elektrische Geräte wie z. B. das Smartphone des Patienten sollte der Patient während der Untersuchung nicht bei sich tragen, da dies zu Inteferenzen/Artefakten führen kann. Fragen Sie den Patienten vor der Untersuchung, ob er/sie allergisch gegen das Elektrodenspray ist. Kann der Patient nicht liegen, so wie es in der Rettungsmedizin öfters der Fall sein kann, kann das Elektrokardiogramm auch sitzend geschrieben werden. Dies ist jedoch zu dokumentieren.
Die Klebestelle der Elektroden sollte im Optimalfall nicht mit Haaren zugewachsen sein, da sonst die Haftung negativ beeinträchtigt werden kann. Eine Rasur der Brustbehaarung kann unter Umständen notwendig sein, im Optimalfall bittet man den Patient vor der Untersuchung um Rasur der betreffenden Ableitungsstellen. Der Oberkörper sowie die Beine des Patienten sind entkleidet, wobei Frauen in der Regel Ihren BH anbehalten können. Um die Übergangsimpedanz zu verringern bzw. um die Leitfähigkeit zwischen Elektrode und Haut zu verbessern, wird vor dem EKG anlegen Elektrodengel auf die Elektroden aufgetragen.
EKG-Elektroden kleben
In einem ersten Schritt müssen die Klebe- oder Saugelektroden auf die definierten Körperstellen des Patienten geklebt bzw. angebracht werden. 4 Elektroden für 6 Extremitätenableitungen:
R: rechter Arm (Handgelenk Innenseite) = roter Stecker
L: linker Arm (Handgelenk Innenseite) = gelber Stecker
F: linker Fuß (über dem Fußgelenk) = grüner Stecker
N: rechter Fuß (über dem Fußgelenk) = schwarzer Stecker (Erdung)
Und 6 Elektroden für 6 Brustwandableitungen (in absteigender Reihenfolge):
V1 (rot): vierter ICR (Intercostalraum), rechts parasternal / 4. ICR am rechten Rand des Sternum
V2 (gelb): vierter ICR, links parasternal / 4. ICR am linken Rand des Sternum
V3 (grün): mittig zwischen V2 und V4 auf der fünften Rippe
V4 (braun): fünfter ICR, auf der Medioklavikularlinie
V5 (schwarz): auf der Höhe von V4, vordere Axillarlinie
V6 (lila): auf der Höhe von V4, mittlere Axillarlinie
EKG-Kabel an die Elektroden anlegen
Nun müssen die aufgeklebten Elektroden mit den EKG-Kabeln verbunden werden. Die Kabel sind farblich markiert, sodass diese den entsprechenden Elektroden zugeordnet werden können. Die Kabel für die Brustwandelektroden sind zudem in der Regel beschriftet mit V1 bis V6. Orientieren Sie sich beim Verbinden der Kabel am vorherigen Kapitel “EKG Elektroden kleben”.
Merkspruch für das Anlegen eines 12 Kanal EKGs: Das Anlegen der Kabel folgt dem Ampelprinzip. Rot – gelb – grün (und schwarz) werden im Uhrzeigersinn beginnend bei der rechten Hand an angelegt.
EKG mit dem EKG-Gerät ableiten und ausdrucken/speichern
Betätigen Sie den Knopf Ihres EKG-Gerätes, der für das Schreiben des EKGs zuständig ist. Besitzen Sie ein digitales PC-EKG-Gerät, dann speichern Sie dieses am Ende des Schreibvorganges ab.
EKG-Elektroden entfernen
Entfernen Sie die Elektroden vom Patientenkörper, sodass der Patient sich anschließend anziehen kann.
EKG befunden
Befunden und interpretieren Sie das 12 Kanal EKG. Schauen Sie explizit nach:
Lagetyp
Herzrhythmus und Herzfrequenz
PQ-, QRS- und QT-Dauer
Morphologie des QRS-Komplexes
ST-Strecke und T-Welle
Auch wenn Sie ein 12 Kanal EKG-Gerät mit automatischer Interpretation und Auswertung verwenden, sollten Sie Anomalien und Auffälligkeiten erkennen können. Dazu gehören z. B. arrhythmische QRS-Komplexe oder Senkungen oder Hebungen in der ST-Strecke.
Was sieht man im 12 Kanal EKG?
In einem 12 Kanal EKG sieht man 12 verschiedene Ableitungen (“elektrische Positionen”) des Herzens. Jede EKG Ableitung dient dazu, die elektrische Aktivität an einer anderen Stelle des Herzmuskels zu erfassen. Dadurch kann ein erfahrener Arzt das Herz aus vielen verschiedenen Perspektiven betrachten.
Jedes Elektrokardiogramm ist eine grafische Aufzeichnung der Richtung und des Ausmaßes der elektrischen Herzaktivität, die durch die Depolarisation und Repolarisation der Vorhöfe und Kammern des Herzens erzeugt wird. Ein Herzschlag wird in einer EKG-Kurve visualisiert, die sich in verschiedene Abschnitte unterteilen lässt. Darunter z. B.:
- P-Welle: Kontraktion der Vorhöfe
- QRS-Komplex: Kontraktion der Herzkammern
- T-Welle: Entspannungsphase der Herzkammern
Sieht der Arzt auf dem 12 Kanal EKG abnormale Auffälligkeiten, dann wird meist ein Herzultraschall mit einem Echokardiographiegerät als Folgeuntersuchung veranlasst.
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Quelle: Kramme, Rüdiger, 2017. Medizintechnik Verfahren – Systeme – Informationsverarbeitung