Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis: Ihr Leitfaden

Was ist eine Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis?

Eine Gefährdungsbeurteilung (GBU, Gefährdungsanalyse) in der Arztpraxis ist ein systematischer Prozess, der darauf abzielt, potenzielle Risiken und Gefahren im Arbeitsumfeld zu identifizieren, zu bewerten und geeignete Maßnahmen zur Minimierung oder Eliminierung dieser Risiken zu ergreifen. Dies betrifft sowohl die Sicherheit der Mitarbeiter als auch der Patienten.

Der Prozess umfasst mehrere Schritte:

  1. Identifikation von Gefährdungen: Hierbei werden alle möglichen Gefahrenquellen ermittelt, die in der Praxis auftreten könnten. Dazu gehören räumliche Gegebenheiten, medizinische Geräte, chemische Substanzen und auch organisatorische Abläufe.
  2. Risikobewertung: Nach der Identifikation der Gefährdungen werden diese bewertet, um das Ausmaß des Risikos zu bestimmen. Oftmals wird eine Risikomatrix verwendet, um die Wahrscheinlichkeit und die Schwere der möglichen Folgen zu bewerten.
  3. Maßnahmenplanung: Basierend auf der Risikobewertung werden präventive und korrektive Maßnahmen geplant. Dies kann technische Lösungen, organisatorische Änderungen im Praxismanagement oder Schulungen für das Personal umfassen.
  4. Umsetzung der Maßnahmen: Die geplanten Maßnahmen werden umgesetzt und ihre Wirksamkeit überprüft.
  5. Dokumentation: Alle Schritte der Gefährdungsbeurteilung sowie die ergriffenen Maßnahmen werden dokumentiert. Dies ist nicht nur für interne Überprüfungen wichtig, sondern auch zur Erfüllung gesetzlicher Vorgaben.
  6. Regelmäßige Überprüfung: Die Gefährdungsbeurteilung ist ein fortlaufender Prozess und sollte regelmäßig aktualisiert werden, insbesondere wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern.

Die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist nicht nur gesetzlich vorgeschrieben, sondern auch ein wichtiger Bestandteil des Qualitätsmanagements in einer Arztpraxis. Sie trägt dazu bei, ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen und die Patientensicherheit zu erhöhen.

Die Gefährdungsbeurteilung muss spätestens alle 5 Jahre erneut überprüft werden.

Was ist das Ziel einer Gefährdungsbeurteilung Arztpraxis?

Das Ziel einer Gefährdungsbeurteilung in einer Arztpraxis ist vielschichtig und umfasst sowohl die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeiter als auch die Qualität der Patientenversorgung. Hier sind die Hauptziele im Detail:

  • Sicherheit der Mitarbeiter
    • Identifikation von Risiken: Frühzeitiges Erkennen von potenziellen Gefahrenquellen im Arbeitsumfeld.
    • Schutzmaßnahmen: Entwicklung und Implementierung von Maßnahmen zur Minimierung oder Eliminierung identifizierter Risiken.
    • Rechtliche Konformität: Sicherstellung, dass die Praxis alle relevanten gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Vorschriften im Bereich Arbeitsschutz erfüllt.
  • Qualität der Patientenversorgung
    • Infektionsschutz: Vermeidung von Kreuzkontaminationen und Infektionsrisiken für Patienten.
    • Gerätesicherheit: Gewährleistung, dass alle medizinischen Geräte sicher und effektiv sind.
    • Notfallmanagement: Vorbereitung auf Notfälle durch klare Prozesse und Schulungen.
  • Organisatorische Effizienz
    • Prozess- und Praxisoptimierung: Durch die Identifikation von Risiken können oft auch ineffiziente Arbeitsprozesse erkannt und verbessert werden.
    • Mitarbeiterzufriedenheit: Ein sicheres Arbeitsumfeld erhöht die Zufriedenheit im Team, was sich positiv auf die Qualität der Arbeit und die Versorgung der Patienten auswirken kann.
  • Dokumentation und Nachweisführung
    • Rechtssicherheit: Durch die Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung und der daraus resultierenden Maßnahmen kann im Falle von Unfällen oder rechtlichen Auseinandersetzungen ein Nachweis erbracht werden.
    • Qualitätsmanagement: Die Gefährdungsbeurteilung kann als Teil des Qualitätsmanagementsystems der Praxis dienen und bei Audits als Nachweis der Einhaltung von Standards verwendet werden.

Wo bekomme ich eine Arztpraxis-Gefährdungsbeurteilung her?

  • Externe Dienstleister
    • Beratungsunternehmen für Arbeitsschutz: Es gibt spezialisierte Unternehmen, die sich auf die Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen fokussieren.
    • Fachkräfte für Arbeitssicherheit: Diese Experten können beauftragt werden, um eine umfassende Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.
  • Berufsgenossenschaft
    • BGW (Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege): Die BGW bietet Materialien, Leitfäden und sogar Schulungen zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung an.
  • Software-Lösungen
    • Es gibt spezialisierte Software, die bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen unterstützt. Diese Programme bieten oft Vorlagen und Checklisten.
  • Eigenständige Erstellung
    • Vorlagen und Checklisten: Verschiedene Organisationen und Institutionen bieten kostenlose Vorlagen und Checklisten für die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung an.
    • Leitfäden und Literatur: Es gibt zahlreiche Bücher und Online-Ressourcen, die Unterstützung und detaillierte Anleitungen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung bieten.
  • Rechtliche Unterstützung
    • Ein Rechtsanwalt, der auf Medizinrecht oder Arbeitsschutz spezialisiert ist, kann ebenfalls bei der Erstellung einer rechtssicheren Gefährdungsbeurteilung unterstützen.

Je nach Komplexität der Praxis und der vorhandenen Gesundheitsgefahren kann es sinnvoll sein, einen multidisziplinären Ansatz zu wählen und Experten aus verschiedenen Bereichen einzubeziehen.

Ärzte sollten Versicherungen haben, um sich vor den finanziellen und rechtlichen Risiken zu schützen, die trotz umfassender Gefährdungsbeurteilung und Arbeitsschutzmaßnahmen auftreten können. Selbst bei sorgfältiger Risikominimierung können Unfälle, Behandlungsfehler oder Datenschutzverletzungen vorkommen. Eine entsprechende Versicherungsschutz, wie eine Berufshaftpflichtversicherung, kann in solchen Fällen vor hohen Schadensersatzforderungen bewahren und die Existenz der Praxis sichern. Sie ergänzt somit die präventiven Maßnahmen der Gefährdungsbeurteilung und des Arbeitsschutzes.

Gefährdungsbeurteilung-Muster für die Arztpraxis zum Herunterladen

Nachfolgende Vorlagen bieten weitere Inspiration für Ihre Checkliste zur Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis:

Ist eine Gefährdungsbeurteilung Pflicht?

Ja, die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben und somit Pflicht für Arbeitgeber, einschließlich Praxisinhaber. Verschiedene Gesetze, Verordnungen und Vorschriften legen die Rahmenbedingungen und Anforderungen für die Gefährdungsbeurteilung fest:

Die Gefährdungsbeurteilung ist fest im Gesetz verankert.
Die Gefährdungsbeurteilung ist fest im Gesetz verankert.
  • Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
    • Das Arbeitsschutzgesetz bildet die Grundlage für den Gesundheits- und Arbeitsschutz in Deutschland. Gemäß § 5 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen. Diese muss alle Aspekte des Arbeitsschutzes abdecken, von der Ergonomie der Arbeitsplätze bis hin zu psychischen Belastungen.
  • Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV)
    • Die DGUV Vorschrift 1 konkretisiert die Anforderungen des Arbeitsschutzgesetzes und stellt klar, dass Arbeitgeber verpflichtet sind, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um Unfälle und Berufskrankheiten zu vermeiden. Dazu gehört auch die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Die Vorschrift legt zudem fest, dass Arbeitgeber die Mitarbeiter über mögliche Gefahren und Schutzmaßnahmen zu unterweisen haben.
    • DGUV Regel 100-001: Diese Regel derDGUV gibt konkrete Hinweise zur Durchführung der Gefährdungsbeurteilung und zur Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen.
  • Medizinproduktegesetz (MPG)
    • Das Medizinproduktegesetz regelt den Umgang mit medizinischen Geräten und Produkten. In einer Arztpraxis kommen zahlreiche solcher Geräte zum Einsatz, von einfachen Instrumenten bis hin zu komplexen Diagnosegeräten. Die Gefährdungsbeurteilung muss daher auch die sichere Handhabung und Wartung dieser Geräte umfassen, um Gesundheitsgefahren für Patienten und Personal zu minimieren.
  • Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV)
    • Diese Verordnung regelt den Betrieb von Medizinprodukten und ist besonders wichtig für Arztpraxen, die komplexe medizinische Geräte wie z. B. Röntgenanlagen oder mobile C-Bögen verwenden. Sie legt unter anderem Anforderungen an die Qualifikation des Personals und die regelmäßige Wartung der Geräte fest.
  • Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)
    • Der Betriebsrat hat gemäß § 87 I Nr. 7 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen des Arbeitsschutzes und muss daher in die Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden.
  • Lastenhandhabungsverordnung (LasthandhabV)
    • Diese Verordnung bezieht sich auf das Heben, Tragen, Schieben und Ziehen von Lasten und ist relevant für Praxen, in denen beispielsweise schwere medizinische Geräte oder Materialien manuell bewegt werden müssen.
  • Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV)
    • Diese Verordnung ist relevant, wenn in der Praxis Lärm- oder Vibrationsquellen vorhanden sind, die ein Risiko für die Gesundheit der Mitarbeiter darstellen könnten.
  • Verordnung zum Schutz der Beschäftigten vor Gefährdungen durch künstliche optische Strahlung (OStrV)
    • Diese Verordnung ist wichtig für Praxen, die mit künstlichen Lichtquellen arbeiten, wie z.B. Laser in der Dermatologie oder bei Augenuntersuchungen.
  • Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)
    • Diese Verordnung gilt für den Umgang mit chemischen Stoffen und Gemischen und legt fest, welche Schutzmaßnahmen bei der Lagerung, Verwendung und Entsorgung von Gefahrstoffen zu treffen sind.
  • Biostoffverordnung (BioStoffV)
    • Wenn in der Arztpraxis mit biologischen Arbeitsstoffen (z.B. Blutproben, Viren) gearbeitet wird, sind zusätzliche Anforderungen zu beachten.
    • Die „BGR 250“ (Berufsgenossenschaftliche Regeln) bzw. „TRBA 250“ (Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe) legen spezifische Anforderungen für den Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen fest.
  • PSA-Benutzungsverordnung (PSA-BV)
    • Diese Verordnung regelt die Bereitstellung und Benutzung von persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) am Arbeitsplatz. Sie ist relevant für die Auswahl und Bereitstellung von Schutzausrüstung wie Handschuhen, Schutzbrillen und Atemschutzmasken.
  • Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV)
    • Diese Verordnung legt die Mindestanforderungen für die Gestaltung von Arbeitsstätten fest. Sie beinhaltet Vorschriften zur Raumgestaltung, Beleuchtung, Belüftung und weiteren Aspekten, die in der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen.
  • Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)
    • Diese Verordnung regelt die Bereitstellung und Benutzung von Arbeitsmitteln sowie den Betrieb überwachungsbedürftiger Anlagen. Sie verpflichtet den Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung für die Verwendung von Arbeitsmitteln durchzuführen.
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
    • Das Mutterschutzgesetz enthält spezielle Bestimmungen zum Schutz von schwangeren und stillenden Frauen im Arbeitsumfeld. In der Gefährdungsbeurteilung müssen daher auch diese Aspekte berücksichtigt werden.
  • Berufsgenossenschaftliche Vorschriften
    • Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege stellt spezielle Vorschriften und Leitlinien für den Gesundheitssektor bereit. Diese beinhalten auch Anforderungen an die Gefährdungsbeurteilung und bieten oft praxisnahe Hilfestellungen für die Umsetzung.

(1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.

(2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend.

(3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch

  1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes,
  2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen,
  3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit,
  4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken,
  5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten,
  6. psychische Belastungen bei der Arbeit.
Gesetz über die Durchführung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten bei der Arbeit (Arbeitsschutzgesetz – ArbSchG)
§ 5 Beurteilung der Arbeitsbedingungen

Was passiert, wenn man keine Gefährdungsbeurteilung hat?

Das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung kann ernsthafte Konsequenzen für den Praxisinhaber und für die Mitarbeiter haben. Hier sind einige der möglichen Folgen:

  • Rechtliche Konsequenzen
    • Bußgelder und Strafen: Das Nichtdurchführen einer Gefährdungsbeurteilung verstößt gegen das Arbeitsschutzgesetz und kann mit Bußgeldern oder sogar strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden. Gemäß § 25 Abs. 2 ArbSchG droht eine Geldbuße bis zu 5.000 €, in einigen Fällen sogar bis zu 30.000 €.
    • Haftungsfragen: Im Falle eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit kann der Arbeitgeber haftbar gemacht werden, wenn keine oder eine unzureichende Gefährdungsbeurteilung vorliegt.
  • Betriebliche Konsequenzen
    • Qualitätsverlust: Das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung kann die Qualität der medizinischen Versorgung beeinträchtigen und das Vertrauen der Patienten in die Praxis untergraben.
    • Mitarbeiterzufriedenheit und -gesundheit: Ein unsicheres Arbeitsumfeld kann zu einer geringeren Zufriedenheit und vermehrten Krankheitstagen unter den Mitarbeitern führen.
    • Betriebsunterbrechungen: Im schlimmsten Fall kann das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung zu schweren Unfällen und damit zu Betriebsunterbrechungen oder sogar zur Schließung der Praxis führen.
  • Reputationsrisiken
    • Öffentliches Image: Verstöße gegen Arbeitsschutzbestimmungen können öffentlich bekannt werden und das Image der Praxis schädigen.
    • Berufsgenossenschaft: Ein Verstoß gegen die Vorschriften der Berufsgenossenschaft kann zu einer Erhöhung der Beiträge oder im schlimmsten Fall zum Ausschluss aus der Berufsgenossenschaft führen.
  • Audits und Zertifizierungen
    • Qualitätsmanagement: Das Fehlen einer Gefährdungsbeurteilung kann dazu führen, dass die Praxis bei Audits durchfällt und wichtige Zertifizierungen nicht erhält oder verliert.

Es ist daher dringend empfohlen, eine umfassende Arztpraxis-Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und regelmäßig zu aktualisieren, um diese Risiken zu minimieren und den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Wer ist verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung?

Die Verantwortung für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung liegt bei den Arbeitgebern, in diesem Fall also bei der Leitung der Arztpraxis. Arbeitsschutz ist als eine Führungsaufgabe definiert, und die Praxisleitung ist für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten verantwortlich. Dies schließt die Gefährdungsbeurteilung mit ein

Fachkundige Mitarbeiter sollten jedoch aktiv in den Prozess der Gefährdungsbeurteilung einbezogen werden. Ihre Erfahrungen und Kenntnisse der täglichen Arbeitsabläufe sind wertvoll für die Identifizierung und Beurteilung von Gefährdungen. Folgende Personen sind üblicherweise an der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beteiligt:

  • Führungskräfte (verantwortlich für die Durchführung)
  • Fachkräfte für Arbeitssicherheit (Beratung und Unterstützung)
  • Betriebsärzte (Beratung und Unterstützung)
  • Betriebsräte (Mitbestimmungsrecht)
  • Sicherheitsbeauftragte (Informationsermittlung, Prozessbegleitung)
  • fachkundige Mitarbeiter (Informationsbereitstellung und Unterstützung)
  • externe Arbeitsschutzfachleute (Beratung und Unterstützung)

Wie läuft eine Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis ab?

  1. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen: Zu Beginn ist es wichtig, die verschiedenen Arbeitsbereiche, Arbeitsabläufe und Tätigkeiten in der Praxis zu identifizieren. Dabei kann man zwischen arbeitsbereichsbezogenen, tätigkeitsbezogenen und personenbezogenen Ansätzen wählen. Zum Beispiel könnte ein Arbeitsbereich „Rezeption“ sein, während eine tätigkeitsbezogene Einteilung spezifische Aufgaben wie „Patientenempfang“ oder „Telefondienst“ umfassen könnte.
  2. Gefährdungen ermitteln: Nach der Festlegung der Arbeitsbereiche und Tätigkeiten geht es darum, mögliche Gefährdungen zu ermitteln. Hierbei sollten alle denkbaren Risiken erfasst werden. Mitarbeiter sollten aktiv in diesen Prozess einbezogen werden, da sie aus ihrer täglichen Arbeit heraus oft am besten wissen, wo Gefahren lauern könnten. Zum Beispiel könnten an der Rezeption Risiken durch lange Stehzeiten oder durch den Umgang mit Patientendaten, die der ärztlichen Schweigepflicht und dem Datenschutz unterliegen, entstehen.
  3. Gefährdungen beurteilen: Im nächsten Schritt werden die ermittelten Gefährdungen beurteilt. Dabei wird analysiert, wie hoch das Risiko für jede einzelne Gefährdung ist. Ist das Risiko hoch, mittel oder gering? Zum Beispiel könnte das Risiko einer Infektion bei der Blutabnahme als hoch eingestuft werden.
    1. Risikoklasse 1: Diese Klasse beinhaltet tolerierbare allgemeine Lebensrisiken. Es handelt sich um höchst unwahrscheinliche oder Bagatellunfälle, für die kein Handlungsbedarf besteht.
    2. Risikoklasse 2: Diese Klasse umfasst langfristig nicht tolerable Risiken. Es handelt sich um Gefährdungen und Belastungen, die mittel- oder langfristig nicht akzeptabel sind. Zum Beispiel erhöhen die täglichen Belastungen durch Feuchtarbeit das Risiko einer Allergie, sodass mittel- und langfristig Handlungsbedarf besteht.
    3. Risikoklasse 3: Diese Klasse beinhaltet nicht akzeptable Risiken. Hierbei handelt es sich um Gefährdungen, die ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit und Schwere des möglichen Gesundheitsschadens aufweisen.
  4. Maßnahmen festlegen: Basierend auf der Beurteilung der Gefährdungen werden Schutzmaßnahmen festgelegt. Diese können kurz-, mittel- oder langfristig umgesetzt werden. Zum Beispiel könnte kurzfristig eine Schulung zum Infektionsschutz durchgeführt werden, während mittelfristig ergonomische Möbel für die Rezeption angeschafft werden könnten.
  5. Maßnahmen durchführen: Die festgelegten Maßnahmen werden nun in die Praxis umgesetzt. Dies könnte durch Schulungen, den Kauf neuer Ausrüstung oder die Änderung von Arbeitsabläufen geschehen.
  6. Wirksamkeit überprüfen: Nach der Umsetzung der Maßnahmen muss überprüft werden, ob diese wirksam sind. Sind die Mitarbeiter weniger gefährdet? Wurden die Risiken minimiert?
  7. Dokumentation und Fortschreibung: Jeder Schritt der Gefährdungsbeurteilung muss dokumentiert werden. Diese Dokumentation sollte regelmäßig aktualisiert werden, besonders wenn es Änderungen wie neue Arbeitsabläufe oder die Anschaffung neuer Geräte gibt.

Es ist wichtig, das Thema Prävention regelmäßig in Teambesprechungen zu integrieren. Mitarbeiter können oft wertvolle Hinweise geben, da sie die täglichen Arbeitsabläufe am besten kennen.

Ablauf der Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis.
So sieht der Ablauf der Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis aus.

Was für Gefahren gibt es in einer Arztpraxis?

In einer Arztpraxis gibt es eine Vielzahl von Gefahren und Risiken, die in einer Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden müssen. Die folgende Liste gibt einen kleinen Überblick:

  • Infektionsrisiken und Hygiene
    • Infektionsgefahr durch Patientenkontakt: Das Risiko der Übertragung von Krankheitserregern ist in einer Arztpraxis besonders hoch.
    • Unzureichende Handhygiene: Das Fehlen von Desinfektionsmitteln oder unzureichendes Händewaschen kann zu einer Verbreitung von Keimen führen.
    • Instrumentenaufbereitung: Fehlerhafte Sterilisation oder Desinfektion von medizinischen Instrumenten kann zu Infektionsrisiken führen.
    • Entsorgung von Medizinprodukten: Die unsachgemäße Entsorgung von (kontaminierten) medizinischen Abfällen birgt Gesundheitsgefahren.
  • Chemische und Medikamentöse Gefahren
    • Umgang mit Desinfektionsmitteln: Ohne geeignete Schutzmaßnahmen können diese Stoffe Haut- und Augenreizungen oder Atemwegsprobleme verursachen.
    • Lagerung von Medikamenten: Unsachgemäße Lagerung kann zu Kontaminationen und gesundheitlichen Risiken führen.
  • Physikalische Gefahren
    • Strahlenbelastung: Bei der Verwendung von Röntgengeräten oder anderen bildgebenden Verfahren muss die potenziell schädliche Röntgenstrahlung bzw. der Röntgen-Strahlenschutz beachtet werden.
    • Lärm: Geräte wie Ultraschallreiniger oder bestimmte medizinische Instrumente können Lärm erzeugen, der das Gehör schädigen kann.
  • Ergonomische Risiken
    • Falsche Körperhaltung: Lange Stehzeiten, ungünstige Arbeitshöhen oder schlecht gestaltete Arbeitsplätze können zu Muskel-Skelett-Erkrankungen führen.
  • Psychosoziale Risiken
    • Stress und hohe Arbeitsbelastung: Der Umgang mit Patienten, Zeitdruck und hohe Verantwortung können psychischen Stress erzeugen.
    • Aggression und Gewalt: In einigen Fällen können Patienten oder Angehörige aggressiv oder gewalttätig werden.
  • Nadelstichverletzungen
    • Verletzungsgefahr: Der Umgang mit Kanülen, Spritzen oder Skalpellen birgt das Risiko von Schnitt- und Stichverletzungen, die zu Infektionen führen können.
  • Brandschutz
    • Brandgefahr durch elektrische Geräte: Falsch gewartete oder defekte elektrische Geräte können Brände auslösen.
  • Datenschutz
    • Datenschutz: Der Umgang mit sensiblen Patientendaten muss strengen Datenschutzrichtlinien entsprechen. Ein Verstoß kann nicht nur rechtliche Konsequenzen haben, sondern auch das Vertrauen der Patienten erschüttern.
    • Datensicherheit: Cyberangriffe oder Datenverlust können erhebliche Auswirkungen auf den Praxisbetrieb und die Patientenversorgung haben. Daher sind entsprechende Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls oder regelmäßige Backups erforderlich.
  • Räumliche Gegebenheiten und Praxiseinrichtung
    • Wartezimmer
      • Stolperfallen: Lose Teppiche oder schlecht platzierte Möbel können Stolperfallen darstellen.
      • Infektionsrisiko: Unzureichende Lüftung oder fehlende Abtrennungen können das Infektionsrisiko erhöhen.
    • Behandlungsräume
      • Medizinisch technische Geräte: Alle Geräte sollten regelmäßig gewartet werden, um Fehlfunktionen und damit verbundene Risiken zu minimieren.
      • Hygiene: Die Räume müssen leicht zu reinigen sein, um das Infektionsrisiko zu senken.
      • Ergonomie: Die Anordnung der Möbel und Geräte sollte ergonomisch sinnvoll sein, um Muskel-Skelett-Belastungen für das Personal zu minimieren.
    • Barrierefreiheit: Die Praxis sollte so gestaltet sein, dass sie für Menschen mit eingeschränkter Mobilität oder anderen Behinderungen zugänglich ist. Dies ist nicht nur eine Frage der Inklusion, sondern auch eine gesetzliche Anforderungen (§ 50 Abs. 2 der Musterbauordnung).

Wie viel kostet eine Gefährdungsbeurteilung in der Arztpraxis

Die Kosten für eine Gefährdungsbeurteilung in einer Arztpraxis können stark variieren und hängen von verschiedenen Faktoren ab:

  • Größe und Komplexität der Praxis
    • Je größer und komplexer die Praxis ist, desto mehr Zeit und Ressourcen werden für die Gefährdungsbeurteilung benötigt.
  • Externe Dienstleister
    • Wenn Sie sich für die Beauftragung eines externen Dienstleisters entscheiden, können die Kosten je nach Expertise und Umfang des Auftrags variieren. Die Preise können von einigen hundert bis zu mehreren tausend Euro reichen.
  • Software-Lösungen
    • Es gibt spezialisierte Software für die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen. Die Kosten für solche Softwarelösungen können ebenfalls variieren, je nach Funktionsumfang und Lizenzmodell.
  • Interne Ressourcen
    • Wenn die Gefährdungsbeurteilung intern durchgeführt wird, entstehen vor allem Kosten für die Arbeitszeit der beteiligten Mitarbeiter und eventuell für Schulungen.
  • Sonstige Kosten
    • Kosten für eventuell notwendige technische Anpassungen, neue Arbeitsmittel oder persönliche Schutzausrüstung, die aus Gefährdungsbeurteilungen resultieren, kommen hinzu.
  • Rechtliche Beratung
    • Die Konsultation eines auf Arbeitsschutz spezialisierten Rechtsanwalts verursacht ebenfalls Kosten.

Es ist schwierig, einen genauen Betrag zu nennen, ohne die spezifischen Bedingungen und Anforderungen Ihrer Praxis zu kennen. 

Wie dokumentiert man eine Gefährdungsbeurteilung?

  1. Einleitung
    1. Zweck der Gefährdungsbeurteilung
    2. Verantwortliche Personen
    3. Datum der Durchführung
  2. Methodik
    1. Verwendete Methoden und Instrumente (z.B. Checklisten, Beobachtungen, Mitarbeiterbefragungen)
  3. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten
    1. Auflistung aller Arbeitsbereiche und Tätigkeiten, die bewertet wurden
    2. Spezifische Arbeitsmittel und -verfahren
  4. Identifizierte Gefährdungen
    1. Art der Gefährdung (z.B. chemische Stoffe, Lärm, ergonomische Faktoren)
    2. Betroffene Personen oder Bereiche
  5. Risikobewertung
    1. Einschätzung der Risiken (oft in Form einer Risikomatrix)
    2. Priorisierung der Risiken
  6. Maßnahmenplan
    1. Geplante Maßnahmen zur Risikominimierung
    2. Verantwortliche Personen für die Umsetzung
    3. Zeitplan
  7. Umsetzung und Überprüfung
    1. Status der Umsetzung der Maßnahmen
    2. Effektivität der Maßnahmen
  8. Schulungen und Unterweisungen
    1. Dokumentation von Schulungen und Unterweisungen, die aufgrund der Gefährdungsbeurteilung durchgeführt wurden
  9. Anhänge
    1. Fotos, Messergebnisse, Checklisten oder andere Beweismittel können als Anhänge beigefügt werden.
  10. Aktualisierungen
    1. Dokumentation von Aktualisierungen und Überprüfungen, insbesondere wenn sich Arbeitsbedingungen ändern oder neue Erkenntnisse vorliegen

Die Dokumentation sollte in schriftlicher Form vorliegen und sowohl in digitaler als auch in gedruckter Form aufbewahrt werden. Sie sollte regelmäßig aktualisiert und bei Bedarf den zuständigen Behörden oder der Berufsgenossenschaft vorgelegt werden können.

Risikomatrix nach Nohl
Um das Risiko einer (potenziellen) Gefährdung zu beurteilen, kann man sich z. B. an der Risikomatrix nach Nohl orientieren.

Nachfolgende Dokumente können bei der Gefährdungsbeurteilung behilflich sein:

  • Betriebsanweisungen
  • Dokumentationen zum Qualitätsmanagement
  • Dokumentationen zu Geräteprüfungen
  • Gefahrstoffverzeichnisse
  • aktuelle Sicherheitsdatenblätter
  • Hygienepläne
  • Notfallpläne
  • Begehungsprotokolle 
  • Berichte des Betriebsarztes und der Fachkraft für Arbeitssicherheit
  • Rückblickende Unterlagen
    • Unfallanzeigen
    • Anzeigen auf Verdacht einer Berufskrankheit
    • Verbandbücher

Wie alt darf eine Gefährdungsbeurteilung sein?

Das Arbeitsschutzgesetz sieht keine regelmäßigen, vollständigen Wiederholungen der Gefährdungsbeurteilung vor. Allerdings sollte der Prozess der Gefährdungsbeurteilung von Zeit zu Zeit überprüft und gegebenenfalls verbessert werden. Es gibt keine gesetzlich festgelegte Frist für die Überarbeitung einer Gefährdungsbeurteilung.

In Abhängigkeit von den betrieblichen Gefährdungen gibt es jedoch verschiedene Vorgaben oder Hinweise zu solchen Fristen. Beispielsweise schreibt die DGUV Vorschrift 2 vor, dass in Kleinunternehmen unter 10 Mitarbeitern die Gefährdungsbeurteilung alle „x Jahre“ zu überprüfen ist. Die genaue Frist wird von den einzelnen Unfallversicherungsträgern vorgegeben, beispielsweise von der BG Holz und Metall mit 3 Jahren.

  • Gemäß § 7 Abs.7 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) muss der Arbeitgeber die Funktion und die Wirksamkeit der technischen Schutzmaßnahmen mindestens jedoch jedes dritte Jahr überprüfen.
  • In der Biostoffverordnung (BiostoffV) § 4 Abs. 2 wird ausgeführt, dass der Arbeitgeber die Gefährdungsbeurteilung mindestens jedes zweite Jahr zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren hat.


Eine Gefährdungsbeurteilung wird fällig, wenn sich betriebliche Gegebenheiten ändern oder neue Erkenntnisse hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit vorliegen. Zu den Anhaltspunkten für eine Überarbeitung gehören:

  • Erkenntnisse aus Arbeitsunfällen
  • Auftreten von Berufskrankheiten
  • Hohe Fehlzeiten aufgrund arbeitsbedingter Gesundheitsbeeinträchtigungen
  • Anschaffung neuer Maschinen und Geräte
  • Einführung neuer Arbeitsstoffe
  • Änderungen der Arbeitsorganisation und des Arbeitsablaufs
  • Neue Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz
  • Neue Arbeitsschutzvorschriften

Was ist eine Gefährdungsanzeige?

Eine Gefährdungsanzeige ist ein formelles Instrument, das es Mitarbeitern ermöglicht, den Arbeitgeber auf spezifische Gefährdungen oder Risiken am Arbeitsplatz aufmerksam zu machen. Sie ist ein gesetzlich verankertes Mittel und dient als Ergänzung zur Gefährdungsbeurteilung. Während die Gefährdungsbeurteilung eine proaktive, systematische Untersuchung von potenziellen Risiken durch den Arbeitgeber ist, ermöglicht die Gefährdungsanzeige den Mitarbeitern, auf akute oder übersehene Gefährdungen hinzuweisen.

Im Kontext von Gefährdungsbeurteilungen spielt die Gefährdungsanzeige eine wichtige Rolle:

  • Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung: Eine Gefährdungsanzeige kann Anlass für eine Überarbeitung oder Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung sein.
  • Identifikation neuer Risiken: Mitarbeiter können Gefährdungen erkennen, die in der ursprünglichen Gefährdungsbeurteilung möglicherweise nicht berücksichtigt wurden.
  • Rechtliche Absicherung: Die Anzeige dient als dokumentierter Nachweis dafür, dass eine bestimmte Gefährdung dem Arbeitgeber bekannt gemacht wurde.

Was muss in eine Gefährdungsanzeige?

  1. Identifikation
    1. Name des Mitarbeiters
    2. Abteilung oder Arbeitsbereich
    3. Datum der Meldung
  2. Beschreibung der Gefährdung
    1. Art der Gefährdung (z.B. chemische Exposition, ergonomische Probleme, unzureichende Schutzausrüstung)
    2. Ort der Gefährdung (z.B. bestimmter Raum, Arbeitsstation)
    3. Zeitpunkt oder Zeitraum, in dem die Gefährdung aufgetreten ist oder auftritt
  3. Betroffene Personen
    1. Wer ist von der Gefährdung betroffen? (z.B. einzelne Mitarbeiter, ganze Abteilungen, Patienten)
  4. Vorgeschlagene Maßnahmen
    1. Empfehlungen zur Behebung der Gefährdung, falls möglich
  5. Dokumentation
    1. Fotos, Messergebnisse oder andere Belege, die die Gefährdung veranschaulichen, können beigefügt werden.

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Zusätzliche Quellen:

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Autor: Nils Buske, zuletzt aktualisiert am