Arztpraxis 2022: Das sind die größten Frustfaktoren, die Ärzte missmutig machen

Hintergrund und Umfragedesign

Die Umfrage haben wir online über eine E-Mail Kampagne durchgeführt und die Antworten und Ergebnisse sind anonymisiert worden. Bei den Befragten handelt es sich zu 84 % um niedergelassene Ärzte, 10 % arbeiten in einem Angestelltenverhältnis in einer Arztpraxis oder einem MVZ und 6 % sind als Arzt in einer Klinik tätig.

Der medizinische Fachbereich unterscheidet sich zwischen den befragten Ärzten enorm. Die größten Gruppen, die an der Umfrage teilgenommen haben, entspringen allerdings der Allgemeinmedizin (24 %), der Gynäkologie und Geburtshilfe (12 %), den Fachbereichen Veterinärmedizin, Chirurgie und Zahnmedizin (je 10 %) und der Inneren Medizin (6 %). Insgesamt waren 18 unterschiedliche Fachbereiche in der Umfrage vertreten.

Niederlassungsformen der Teilnehmer aus der Medizinio Praxis-Umfrage
Teilnehmer der Medizinio Praxis-Umfrage nach Fachbereichen

Top-10 der größten Frustfaktoren in der Arztpraxis

Genannte Punkte, die in der Praxis oder Klinik 2022 für Frustration sorgen
Die größten Frust-Faktoren von niedergelassenen Ärzten im Dezember 2022

Die Frage nach den größten Frustfaktoren in der Praxis oder Klinik beantworteten die Befragten mit einer relativen Eindeutigkeit. Der am häufigsten genannte Frustfaktor ist unseren Ärzten zufolge die Bürokratie im Alltag (86 %) und die eAngebote wie bspw. eRezept, eAU und eHBA (68 %). Auf dem dritten Platz folgte die Telematikinfrastruktur mit 50 %. Das ist unter anderem auf den störungsanfälligen Betrieb der TI zurückzuführen, denn laut Praxisbarometer 2021 der KBV haben 18 % aller Praxen täglich Probleme mit dem Telematikanschluss in der Praxis. 

Dicht gefolgt wird die TI als Frustfaktor von der Praxisverwaltungssoftware und dem Fachkräftemangel (Stichwort MFA-Mangel). Beides macht den Praxisalltag erheblich schwerer und stellt eine enorme Belastung für das gesamte Team dar. Eine Vermutung: Häufig kommt es in der Praxis zu einem hohen Anrufaufkommen und die wenigen vorhandenen MFAs müssen sich teilweise fast ausschließlich um den Telefondienst kümmern, wodurch die anderen Aufgabenbereiche des täglichen Betriebs hinten angestellt werden müssen und oft auch nicht mehr erledigt werden können. Digitale Services für die Arztpraxis können dabei helfen, diese Belastung zu verringern, zum Beispiel über Online-Terminbuchung oder eine externe Telefonassistenz.

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Weitere Gründe für Frust in der Praxis sind Sorgen um die Wirtschaftlichkeit der Praxis, die hohen Energie- und Gaskosten, die langen Arbeitszeiten und der Umgang mit Patientinnen und Patienten. Doch auch die Corona-Maßnahmen (Hygiene, Corona-Schnelltests usw.) und die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sorgen häufig für Missmut. Medizintechnik sorgt nur bei 6 % für ein angespanntes Verhältnis in der Arztpraxis oder Klinik. 

Das stört Ärzte im Detail

Mangelnde Wertschätzung

Immer wieder genannt unter den freien Antworten war eine mangelnde Wertschätzung, die Ärzt:innen gegenüber an den Tag gelegt wird. Dabei geht es nicht nur um die Wertschätzung seitens der Patient:innen, sondern auch der Politik und der anderen Akteure in der Gesundheitsbranche, wie bspw. die gesetzlichen Krankenkassen und die KBV. Stellenweise fühlen sich die Ärzte sogar „ausgebeutet“ im derzeitigen Gesundheitssystem. Ein Feedback aus der Ärzteschaft bringt viele der genannten Punkte aus der Umfrage zusammen.

„Die zunehmend schwindende Wertschätzung für unseren Beruf durch Politik und Krankenkassen! Impfende Apotheken, Medikationsberatung durch Apotheken für mehr Geld als für die Versorgung eines Patienten für 2 Quartale, Kassen machen selbst Online-Sprechstunden etc.“

Anonyme Antwort aus der Medizinio Praxis-Umfrage Dezember 2022

Aber auch die Haltung der Patientenschaft wird zunehmend kritisiert. Patienten hätten oft überhöhte Ansprüche, die in der Praxis nicht zu erfüllen seien und sie würden teilweise sogar impertinent wirken.

Wirtschaftlichkeit der Praxis

Noch häufiger als die mangelnde Wertschätzung sorgt die Wirtschaftlichkeit der Arztpraxis für enormen Frust im Alltag. Besonders in der Kritik steht dabei die Abrechnung von gesetzlich-versicherten Patienten, die sich in vielen Bereichen kaum rentiert für die Ärzteschaft in Anbetracht des Aufwands, der damit einhergeht. Dadurch lassen sich Patienten nicht so gut versorgen, wie es vorgesehen ist. Die Balance zwischen wirtschaftlichem Arbeiten und der adäquaten medizinischen Versorgung von Patienten ist ein täglicher Balanceakt für niedergelassene Ärzte, der nur sehr schwer durchführbar zu sein scheint. Ein Auszug aus den Stimmen:

„Wer versucht Menschen wirklich zu helfen und zu heilen, was nicht in einer 5-7 Minuten Medizin geht, hat wirtschaftlich kaum eine Chance im GKV-System auf eine nur halbwegs angemessene Entlohnung.“

Anonyme Antwort aus der Medizinio Praxis-Umfrage Dezember 2022

Bei der Angst um die Wirtschaftlichkeit geht es jedoch nicht nur um die Entlohnung der Ärzte, sondern vielmehr um die Zukunft der Praxis selbst, denn in einer eigenen Niederlassung sind Ärzte nicht nur Ärzte, sondern müssen ebenfalls als Unternehmer agieren. Besonders in Anbetracht der gestiegenen Kosten für Energie und Gas, Personal und Praxis-Hygiene äußert sich die Angst um die Wirtschaftlichkeit bereits als eine „Existenzangst trotz hohem Arbeitseinsatz“.


Neben der Abrechnung von gesetzlich-versicherten Patienten herrscht ebenfalls Missmut in Bezug auf die Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die als Grundlage für die Berechnung der privatärztlichen Leistungen fungiert. Während sich die Kostenstrukturen innerhalb der letzten Jahre immer weiter entwickelt und verändert habe und Kosten in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen seien, werde immer noch die GOÄ Fassung aus dem letzten Neuverfassungsjahr von 1983 genutzt. „Das macht kein anderer Berufsstand in Deutschland.“, so eine Antwort aus der Umfrage.

Bürokratie und eAngebote

Die Spitze bildet die Kombination aus Bürokratie in der Arztpraxis und den eAngeboten, die zur Digitalisierung des Gesundheitswesens beitragen sollen. Besonders in der Telematikinfrastrukturkommt es häufig zu technischen Problemen. Ärzte betiteln die TI derzeit bereits stellenweise als “Telematikmist.” und berichten von diversen Problemen im Praxisalltag:

„Tägliche Abstürze, nichtfunktionierende Technik, Lesegeräte die abstürzen, Software die doppelt so lange braucht, wie früher. Das kostet Geld, Nerven und täglich ca 1,5 Stunden mehr Arbeit.“

Anonyme Antwort aus der Medizinio Praxis-Umfrage Dezember 2022

Die Telematik würde nur sehr viel Zeit kosten und dabei keinen positiven Einfluss auf die Patientenversorgung haben, so in einer weiteren Antwort aus der Umfrage. Der bürokratische Aufwand im Praxisalltag sei ebenfalls ein großer Zeit- und Frustfaktor. Dabei wurde zum Beispiel die doppelte Arbeit bei Anwendungen im Bereich Krebsvorsorgeschein genannt: 

„Krebsvorsorgescheine mit etlichen Ankreuz.- u. Ausfüllfeldern an KV versenden und zusätzlich für [das] Labor ausfüllen.“

Anonyme Antwort aus der Medizinio Praxis-Umfrage Dezember 2022

Aber auch die neuen Verordnungen und Anforderungen im Rahmen Medizintechnikdokumentation bereiten viel Frust, denn auch hier sind die bürokratischen Hürden immer größer.

So zufrieden sind Ärzte in ihrem Beruf

Wie bereits erwähnt, hat die Belastung im Gesundheitswesen von Pflegekräften bis zur Ärzteschaft in den letzten Jahren noch einmal drastisch zugenommen. Das spiegelt sich auch in der Zufriedenheit der Medizinio-Ärzteschaft im Beruf wider.

Während sich für 62 % keinerlei Veränderungen in Bezug auf die eigene Zufriedenheit im Job bemerkbar gemacht haben, sind 38 % vor Beginn der Corona-Pandemie zufriedener in ihrem Job gewesen. Noch eindeutiger sind die Ergebnisse zu der Frage, ob Ärzte in den letzten 2 Jahren über einen Jobwechsel nachgedacht hätten, denn 60 % haben diese Frage mit Ja beantwortet.

Job-Zufriedenheit vor der Corona-Pandemie von Ärzten
Anteil der Ärzte, die über einen Berufswechsel zwischen 2020 und 2022 nachgedacht haben

Während immerhin 38 % der Befragten mit ihrem Beruf zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind, bewegen sich 30 % auf neutralem Boden. Die restlichen 32 % sind jedoch unzufrieden und zu 4 % sogar sehr unzufrieden. Hier besteht also derzeit ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis zwischen den drei Kategorien. Allerdings wandelt sich das Bild ins Negative, sobald es um die Work-Life-Balance geht, denn hier sind gerade einmal 20 % der Ärzte zufrieden mit dem Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit. Während immerhin 34 % die eigene Work-Life-Balance als akzeptabel beschreiben, ist die Mehrheit mit 46 % unzufrieden mit dem derzeitigen Stand der Waagschalen Freizeit und Arbeit.

Aktuelle Job-Zufriedenheit von Ärzten im Dezember 2022
Zufriedenheit der Work-Life-Balance von Ärzten im Dezember 2022

Fazit: Die Lage ist angespannt, aber es gibt noch Hoffnung

Das Gesundheitssystem steht seit einiger Zeit unter enormer Anspannung. Die Corona-Pandemie, die steigenden Kosten für Energie und Gas, große Schwierigkeiten mit der Telematikinfrastruktur, Abrechnungsschwierigkeiten und geringe Vergütung je Patient, erhöhter Erwartungsdruck und fordernde Patienten, sowie nicht zuletzt der Fachkräftemangel sorgen unter Ärzten und Healthcare Professionals (HCPs) für Druck, Missmut und Frustration. Trotz dieser schlechten Ausgangslage gibt es allerdings noch Hoffnung auf bessere Zustände in der Zukunft.

In den letzten Monaten sind immer mehr innovative Lösungen in Form von Produkten und Dienstleistungen auf den Markt gekommen, um den Alltag in der Arztpraxis zu verbessern. Dabei werden besonders die Bereiche Wirtschaftlichkeit, Fachkräftemangel und Prozessoptimierung ins Visier genommen. 

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, bieten sich digitale Services und Tools an, die administrative Arbeiten übernehmen können, um mehr Freiraum bei MFAs und Ärzten zu schaffen, der für wichtige, wertschöpfende Tätigkeiten genutzt werden kann. Beispiele dafür sind online Terminbuchung, digitale Anamnese und KI-Telefonservices. 

Die Wirtschaftlichkeit der Arztpraxis kann vor allem durch Privatabrechnung besser zum Positiven hin beeinflusst werden. Hier sind externe Abrechnungsstellen eine große Hilfe, da diese Ihre Rechnungen optimieren können und im sogenannten Real-Factoring für Rechnungen in Vorleistung gehen, wodurch sich der Cash-Flow der Praxis verbessert. Zusätzlich übernimmt die Abrechnungsstelle einen Großteil des Abrechnungsmanagements. Zudem würde sich durch eine Überarbeitung der bestehenden Gebührenkataloge wie EBM und GOÄ direkt ein Hebel finden, der sofortige Auswirkungen auf niedergelassene Arztpraxen hat. Ebenso sorgen innovative Verfahren wie bspw. die Cardisiographie für neue und verbesserte Diagnoseprozesse, die nicht nur genauer sind, sondern sich auch besser vergüten lassen, als alt-eingesessene Verfahren wie EKG-Untersuchungen

In Bezug auf die Telematikinfrastruktur bieten sich TI-Service-Unternehmen an, die sich um das Setup, die Sicherheit und Pflege von TI-Konnektoren kümmern und diese in einem deutschen Rechenzentrum betreiben. Dadurch müssen sich Praxen nicht mehr selbst mit dem TI-Anschluss und der Technikverwaltung auseinandersetzen, sondern haben einen Experten an der Seite, der sich im Hintergrund um die Funktionalität der TI kümmert und über Fernwartung auch Diagnose- und Reparaturprozesse einleiten kann.

Tipp: Auf der Suche nach passenden Partnern unterstützen wir unsere Ärzt:innen mit Know-How und Beratung, denn wir wollen den Praxisalltag leichter machen und das Gesundheitswesen in Deutschland ein Stück weit mitgestalten und weiterentwickeln.

Um in Zukunft diesen Herausforderungen besser entgegentreten zu können, benötigt es einige Reformen im Gesundheitswesen und ein Zusammenspiel der Akteure, denn nur gemeinsam kann die nötige Veränderung erreicht werden.

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Autor: Phillip Hauschild, zuletzt aktualisiert am