Was Ärzte bei der Patientenaufklärung unbedingt beachten müssen

Was bedeutet Patientenaufklärung?

Die Patientenaufklärung, auch ärztliche Aufklärung oder Selbstbestimmungsaufklärung genannt, ist ein verpflichtender Prozess, bei dem Ärzte Patienten klar, vollständig und rechtzeitig über Diagnose, Behandlung, Risiken und Alternativen informieren. Das Ziel ist eine informierte Einwilligung. Die Aufklärung kann delegiert werden, wenn die Person zur Durchführung befähigt ist. 

Warum ist Patientenaufklärung wichtig?

Die Patientenaufklärung dient nicht nur der Vermittlung medizinischer Informationen, sondern wahrt das grundlegende Recht der Patienten auf Selbstbestimmung und Information. Nur wer über seine Erkrankung, mögliche Behandlungsoptionen sowie deren Risiken und Alternativen aufgeklärt ist, kann eigenverantwortlich und fundiert entscheiden.

Die Bedeutung der Patientenaufklärung lässt sich in mehreren Aspekten zusammenfassen:

  • Selbstbestimmung: Jeder Mensch hat das Recht, selbst über seinen Körper und medizinische Maßnahmen zu entscheiden. Eine umfassende Aufklärung ist die Grundlage für eine informierte und eigenverantwortliche Entscheidung – ob für oder gegen eine Behandlung.
  • Transparenz und Vertrauen: Ein offenes und verständliches Arzt-Patient-Gespräch ist die Grundlage für Transparenz und gegenseitiges Vertrauen. Die Aufklärung schafft Klarheit, stärkt die Beziehung zwischen Arzt und Patient und ermöglicht eine informierte Entscheidung. Wer gut informiert ist, kann sich besser auf den Behandlungsverlauf einlassen und fühlt sich ernst genommen sowie respektiert.
  • Patientensicherheit: Eine vollständige ärztliche Aufklärung ist entscheidend für die Patientensicherheit. Nur wenn Risiken, Nebenwirkungen sowie mögliche Alternativen bekannt sind, können Patienten Nutzen und Gefahren realistisch abwägen, individuelle Risiken besser einschätzen und informierte Entscheidungen treffen. 
  • Rechtliche Grundlage: Die Patientenaufklärung ist gesetzlich vorgeschrieben. Ärzte sind verpflichtet, transparent über Diagnosen, Behandlungsverläufe, Risiken und Alternativen zu informieren. Ohne eine ordnungsgemäße Aufklärung ist eine medizinische Maßnahme rechtlich nicht zulässig.
  • Mögliche Alternativen: Zum Aufklärungsgespräch gehört auch die Information über medizinisch sinnvolle Alternativen, insbesondere wenn diese mit geringeren Risiken oder Nebenwirkungen verbunden sind.
  • Menschlicher Umgang: Eine gelungene Aufklärung ist mehr als reine Informationsweitergabe. Sie erfolgt in einer vertrauensvollen Atmosphäre, lässt Raum für Rückfragen und berücksichtigt das individuelle Verständnis und Informationsbedürfnis des Patienten. Dieser respektvolle und zugewandte Umgang fördert nicht nur das Vertrauen in die Praxis, sondern trägt maßgeblich zur Patientenzufriedenheit bei. Wer sich verstanden und ernst genommen fühlt, bewertet den Arzt, z. B. auf einem Arztbewertungsportal, insgesamt positiver.
  • Wichtige Voraussetzung für die Einwilligung: Nur wenn eine Patientin oder ein Patient vollständig aufgeklärt ist, kann eine gültige Einwilligung in eine medizinische Maßnahme erfolgen. Diese Einwilligung ist rechtlich und ethisch zwingend notwendig.

Was muss eine Aufklärung beinhalten?

Folgende Bestandteile sind gesetzlich vorgeschrieben und verpflichtend (§ 630e BGB Abs. 1):

  • Art der Maßnahme: Der Patient muss wissen, welche konkrete medizinische Maßnahme durchgeführt werden soll – etwa eine Operation, eine medikamentöse Therapie oder ein diagnostisches Verfahren.
  • Umfang und Durchführung: Es ist zu erläutern, wie die Maßnahme abläuft, welche Schritte vorgesehen sind und in welchem Umfang sie sich auf den Patienten auswirkt.
  • Zu erwartende Folgen und Risiken: Dazu zählen sowohl typische Komplikationen als auch schwerwiegende, auch seltene Risiken. Der Patient muss realistisch einschätzen können, welche gesundheitlichen Auswirkungen möglich sind.
  • Notwendigkeit und Dringlichkeit: Die medizinische Begründung für die Maßnahme muss klar dargelegt werden – einschließlich der Frage, ob sofortiges Handeln erforderlich ist.
  • Eignung und Erfolgsaussichten: Die Maßnahme muss im Hinblick auf die Diagnose oder Therapie nachvollziehbar als geeignet beschrieben werden, einschließlich realistischer Aussagen zu den Heilungschancen.
  • Behandlungsalternativen: Bestehen mehrere medizinisch gleichwertige Möglichkeiten, müssen auch alternative Verfahren oder Methoden erklärt werden – insbesondere, wenn diese mit unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Erfolgsaussichten verbunden sind.

Über diese verpflichtenden Inhalte hinaus sollte der Patient darüber informiert werden, welche gesundheitlichen Konsequenzen entstehen könnten, wenn die Maßnahme nicht durchgeführt wird.

Wer ist für die Patientenaufklärung verantwortlich?

Die Verantwortung für die Patientenaufklärung liegt bei dem behandelnden Arzt. Diese Person muss den Patienten mündlich, verständlich und vollständig über Risiken, Alternativen und Erfolgsaussichten aufklären. Alternativ kann das Aufklärungsgespräch auch durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt (§ 630 e Abs. 2 Nr. 1 BGB), wie z. B. ein Assistenzarzt.

Wie lange ist eine Patientenaufklärung gültig?

Eine Patientenaufklärung bleibt bis zu sechs Wochen vor dem Eingriff gültig, wenn keine wesentlichen Änderungen auftreten, die Aufklärung verständlich war und der Patient genug Bedenkzeit hatte (Bundesgerichtshof, Az.: VI ZR 143/13).

Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen äußert sich zur Gültigkeit einer Patientenaufklärung wie folgt:

  • Allgemeiner Grundsatz zur Gültigkeit: Eine einmal durchgeführte Patientenaufklärung gilt nicht unbegrenzt. Gerichte gehen davon aus, dass nach spätestens 6 Monaten eine Wiederholung erforderlich ist, da der Patient die Inhalte dann in der Regel nicht mehr präsent hat.
  • Chirurgische Eingriffe: Für medizinisch indizierte Operationen sollte die Aufklärung maximal 3 Monate vor dem Eingriff erfolgen. Wird dieser Zeitraum überschritten, ist aus rechtlicher Sicht eine erneute Aufklärung dringend anzuraten.
  • Wiederholte Behandlungen (z. B. Botox, Hyaluron):  Bei regelmäßig durchgeführten, kleineren Eingriffen reicht eine Aufklärung im Abstand von bis zu 6 Monaten aus. Dennoch ist eine erneute Dokumentation und Unterzeichnung eines Aufklärungsbogens erforderlich. Für solche kosmetischen Maßnahmen gelten zudem strenge Anforderungen an Umfang und Deutlichkeit der Risikoaufklärung.
  • Kosmetische Operationen: Hier ist der Maßstab besonders streng. Eine ausführliche und frühzeitige Aufklärung ist unerlässlich. Die Rechtsprechung fordert, dass das Gespräch idealerweise bereits bei der Terminvereinbarung erfolgt. Der Zeitraum zwischen Aufklärung und Eingriff sollte dabei deutlich mehr als 48 Stunden betragen.
  • Aufbewahrungsfrist der Aufklärungsdokumentation: Aufklärungsbögen sind als Teil der Behandlungsunterlagen mindestens 10 Jahre aufzubewahren. In der Praxis wird, insbesondere bei Kliniken, häufig eine Aufbewahrungsfrist von 30 Jahren empfohlen – nicht zuletzt aufgrund der langen Verjährungsfristen bei Behandlungsfehlern. Die digitale Archivierung ist dabei zulässig und ratsam, muss aber im Einklang mit der DSGVO stehen.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Patientenaufklärung?

Die rechtlichen Grundlagen der Patientenaufklärung sind im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt, insbesondere in den §§ 630c bis 630e BGB. Diese Vorschriften bilden den Kern des sogenannten „Behandlungsvertragsrechts“. Die wesentlichen rechtlichen Grundlagen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • § 630c BGB – Informationspflichten und Mitwirkungspflichten
    • Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten zu Beginn und während der Behandlung in verständlicher Weise über alle wesentlichen Umstände aufzuklären, insbesondere über Diagnose, Verlauf, Therapie und Nachsorgemaßnahmen.
    • Der Patient ist in die Behandlung aktiv einzubeziehen („Mitwirkung“).
    • Bei erkennbaren Behandlungsfehlern besteht eine Informationspflicht des Behandelnden, insbesondere zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren oder auf Nachfrage.
    • Über zu erwartende Kosten muss informiert werden, wenn eine Kostenübernahme nicht gesichert ist, wie z. B. bei der Privatabrechnung nach GOÄ.
    • Eine Information kann ausnahmsweise entfallen, z. B. bei unaufschiebbarer Behandlung oder wenn der Patient ausdrücklich darauf verzichtet.
  • § 630d BGB – Einwilligung
    • Jede medizinische Maßnahme, insbesondere Eingriffe in Körper oder Gesundheit, bedarf der Einwilligung des Patienten.
    • Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist eine vorherige ordnungsgemäße Aufklärung nach § 630e BGB.
    • Bei Einwilligungsunfähigkeit ist ein berechtigter Vertreter oder eine Patientenverfügung maßgeblich.
    • Eine Einwilligung kann jederzeit formlos widerrufen werden.
  • § 630e BGB – Aufklärungspflichten
    • Die Aufklärung muss alle wesentlichen Aspekte der Maßnahme umfassen: Art, Umfang, Durchführung, Risiken, Erfolgsaussichten, Alternativen und Notwendigkeit.
    • Die Aufklärung erfolgt grundsätzlich mündlich durch den Behandelnden oder entsprechend qualifiziertes Personal. Ergänzend können schriftliche Unterlagen verwendet werden.
    • Sie muss rechtzeitig und verständlich erfolgen, damit der Patient eine informierte Entscheidung treffen kann.
    • Unter bestimmten Umständen kann die Aufklärung entfallen, etwa bei Notfällen oder ausdrücklichem Verzicht durch den Patienten.
    • Bei nicht einwilligungsfähigen Patienten ist auch dieser alters- und entwicklungsangemessen aufzuklären, sofern es seinem Wohl nicht widerspricht.

Zusätzlich konkretisieren auch berufsrechtliche Vorschriften den Umgang mit der Patientenaufklärung:

Zur Behandlung bedürfen Ärztinnen und Ärzte der Einwilligung der Patientin oder des Patienten. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Die Aufklärung hat der Patientin oder dem Patienten insbesondere vor operativen Eingriffen Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung einschließlich Behandlungsalternativen und die mit ihnen verbundenen Risiken in verständlicher und angemessener Weise zu verdeutlichen. Insbesondere vor diagnostischen oder operativen Eingriffen ist soweit möglich eine ausreichende Bedenkzeit vor der weiteren Behandlung zu gewährleisten. Je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten oder je größer ihre Tragweite ist, umso ausführlicher und eindrücklicher sind Patientinnen oder Patienten über erreichbare Ergebnisse und Risiken aufzuklären. 

§8 (Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte

In welchen Situationen ist eine Patientenaufklärung erforderlich?

Eine Patientenaufklärung ist immer dann notwendig, wenn ein ärztlicher Heileingriff geplant ist – und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine therapeutische oder diagnostische Maßnahme handelt. Jeder medizinische Eingriff stellt eine tatbestandliche Körperverletzung dar (§ 223 StGB), die nur durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gerechtfertigt werden kann. Diese Einwilligung wiederum setzt eine ordnungsgemäße ärztliche Aufklärung voraus.

Eine Patientenaufklärung ist insbesondere in folgenden Fällen notwendig:

  • Vor jedem ärztlichen Heileingriff: Dazu zählen sowohl operative Eingriffe und medikamentöse Therapien als auch diagnostische Maßnahmen wie Blutabnahmen oder bildgebende Verfahren.
  • Bei rechtlich relevanten Eingriffen: Auch scheinbar harmlose Eingriffe sind juristisch als Körperverletzung zu bewerten und daher aufklärungspflichtig.
  • Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts: Die ärztliche Aufklärung dient der Patientenautonomie und Entscheidungsfreiheit. Der Patient muss die Möglichkeit haben, informierte Entscheidungen zu treffen – auch gegen die ärztliche Empfehlung.
  • Wenn die Einwilligung rechtlich wirksam sein soll: Eine Einwilligung ist nur dann gültig, wenn sie auf Grundlage vollständiger, verständlicher und persönlicher Aufklärung erfolgt ist. Ohne ein wirksames Gespräch ist auch die Einwilligung unwirksam.
  • Bei medizinischen Maßnahmen mit Risiken: Je größer die Risiken oder je weniger medizinisch notwendig der Eingriff ist (z. B. Schönheitsoperation, Heilversuch), desto umfassender muss die Aufklärung erfolgen – insbesondere auch zu seltenen, aber schweren Komplikationen.
  • Bei geplanter Off-Label-Anwendung oder Verwendung nicht zugelassener Medikamente: In solchen Fällen muss explizit auf die fehlende Zulassung hingewiesen werden, da dies für die Patientenentscheidung relevant ist.
  • Bei minderjährigen Patienten: Auch hier ist eine Aufklärung erforderlich. Je nach Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes oder Jugendlichen kann dieser selbst einwilligen. Andernfalls müssen die Sorgeberechtigten aufgeklärt und deren Einwilligung eingeholt werden.

Von besonderer Bedeutung ist die Aufklärung vor einer Operation, die durch den Chirurgen oder Anästhesisten erfolgt. Sie beinhaltet umfassende Informationen über den Ablauf des Eingriffs, potenzielle Risiken, vorhandene Behandlungsalternativen sowie die zu erwartenden Erfolgsaussichten. Die OP-Aufklärung stellt damit einen wesentlichen Bestandteil der präoperativen Patienteninformation dar.

Ist der Patient bewusstlos oder nicht entscheidungsfähig, muss die Maßnahme auf Basis einer mutmaßlichen Einwilligung oder in akuter Notlage auf Grundlage des rechtfertigenden Notstands erfolgen.

Digitale Lösungen unterstützen die Patientenaufklärung

Die Digitalisierung der Anamneseerhebung bietet nicht nur eine strukturierte Erfassung von Patientendaten, sondern eröffnet auch neue Wege zur effektiven Patientenaufklärung. Die Integration von Online Anamnese Software in den klinischen Alltag kann somit einen doppelten Nutzen entfalten: Effizienzsteigerung in der Informationsgewinnung und eine Verbesserung der Patientenkompetenz durch gezielte, individualisierte Information. Durch die Anbindung an das bestehende PVS-System lassen sich gewonnene Daten medienbruchfrei weiterverarbeiten, was nicht nur den administrativen Aufwand reduziert, sondern auch die Versorgungsqualität nachhaltig verbessert.

Digitale Anamnesetools bieten umfassende Vorteile für Patienten und medizinisches Personal:

  • Zeit- und Ressourceneffizienz: Die strukturierte Vorab-Erhebung entlastet das Praxispersonal und verkürzt die Wartezeit..
  • Standardisierte, vollständige Dokumentation: Die systematische Anamnesedaten-Erhebung minimiert Informationsverluste und ermöglicht eine konsistente Verlaufsdokumentation.
  • Rechtssicherheit durch digitale Archivierung: Patientenaufklärungssoftware ermöglicht eine revisionssichere Dokumentation, inklusive Zeitstempel, elektronischer Signatur und Archivierung aller Eingaben. Dies verbessert die Nachvollziehbarkeit ärztlicher Aufklärung und reduziert das Risiko von Haftungsansprüchen.
  • Integration rechtlicher Dokumente: Datenschutzerklärungen, Einwilligungen zur Datenverarbeitung und Aufklärungsbögen können im Rahmen der digitalen Anamnese eingebunden und direkt abgefragt werden – rechtssicher und dokumentiert.
  • Früherkennung und Risikohinweise: Durch automatisierte Auswertung können kritische Angaben erkannt und dem medizinischen Personal hervorgehoben präsentiert werden.
  • Patient Empowerment: Die aktive Einbindung der Patienten durch transparente Information stärkt das Vertrauen und die Beteiligung am Behandlungsprozess.

Unterschätzt und folgenreich: Was bei mangelhafter Aufklärung passiert

Wenn keine ausreichende Patientenaufklärung stattfindet, hat das erhebliche rechtliche Konsequenzen. Nach deutschem Recht – insbesondere gemäß § 630e BGB – ist die ordnungsgemäße Aufklärung eine zentrale Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in einen medizinischen Eingriff. Fehlt diese, ist die Einwilligung unwirksam, was rechtlich als Körperverletzung gewertet werden kann.

Um sich gegen die finanziellen Folgen möglicher Haftungsansprüche abzusichern, ist der Abschluss einer (gesetzlich verpflichtenden) Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte unerlässlich. Diese übernimmt in der Regel die Kosten für berechtigte Schadenersatzforderungen sowie die Abwehr unberechtigter Ansprüche. Darüber hinaus bietet eine Nachhaftungsversicherung Schutz für den Zeitraum nach Beendigung der ärztlichen Tätigkeit, beispielsweise im Ruhestand, und deckt auch nachträglich geltend gemachte Ansprüche ab.

Rechtliche Folgen einer unzureichenden Patientenaufklärung:

  • Zivilrechtliche Haftung: Der behandelnde Arzt bzw. das Krankenhaus kann auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden, wenn durch einen Eingriff ohne wirksame Einwilligung ein gesundheitlicher Schaden entstanden ist.
  • Strafrechtliche Konsequenzen: Ein medizinischer Eingriff ohne wirksame Einwilligung kann als strafbare Körperverletzung nach § 223 StGB gewertet werden, auch wenn der Eingriff fachgerecht durchgeführt wurde.
  • Beweislastverteilung: In Arzthaftungsprozessen liegt die Beweislast für die ordnungsgemäße Aufklärung beim Arzt. Eine lückenhafte oder gar fehlende Dokumentation kann daher zu einer Haftung führen, selbst wenn der Eingriff medizinisch indiziert war. 
  • Berufsrechtliche Sanktionen: Ärzte, die wiederholt oder grob fahrlässig gegen ihre Aufklärungspflichten verstoßen, riskieren berufsrechtliche Maßnahmen durch die Ärztekammer, z. B. Rügen oder sogar den Entzug der Approbation in Extremfällen.

Gerichtliche Entscheidungen zur Patientenaufklärung:

Zahnarzt haftet wegen fehlender Aufklärung über risikoärmere Betäubungsmethode

Ein Zahnarzt wurde vom OLG Hamm zur Zahlung von 4.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt, weil er einen Patienten nicht über die echte Behandlungsalternative der intraligamentären Anästhesie aufgeklärt hatte. Obwohl die durchgeführte Leitungsanästhesie fachgerecht und indiziert war, war die Einwilligung des Patienten wegen unzureichender Aufklärung unwirksam. Das Gericht stellte fest, dass eine Aufklärungspflicht über gleichwertige Alternativen besteht, wenn diese unterschiedliche Risiken bergen. Die Berufung des Klägers war teilweise erfolgreich, die Widerklage des Zahnarztes wurde abgewiesen. (OLG Hamm, Urteil vom 19.04.2016 – 26 U 199/15)

Fahrlässige Körperverletzung: Augenarzt erhält Bewährungsstrafe und zahlt Schmerzensgeld

Ein Augenarzt führte zwischen 2011 und 2016 über 2.900 Kataraktoperationen durch, obwohl er nach einem Schlaganfall 2009 dauerhaft gesundheitlich ungeeignet war. In 9 Fällen kam es zu teils schweren Schäden, darunter zwei Erblindungen.

Das LG Kempten verurteilte ihn wegen fahrlässiger Körperverletzung in 9 Fällen zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, ausgesetzt zur Bewährung. Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung schied wegen eines Erlaubnistatbestandsirrtums aus.

Die Einzelstrafen betrugen: 2 × 4 Monate bei Erblindung und 7 × 1 Monat in den übrigen Fällen. Ein Berufsverbot wurde nicht verhängt, da keine Wiederholungsgefahr besteht. Die Approbation ruht seit 2018.

Der Angeklagte leistete an alle Geschädigten bzw. Hinterbliebene Schmerzensgeld in Höhe von jeweils 3.500 €, in zwei Fällen 4.500 €, sowie 1.719,49 € Verfahrenskosten im Adhäsionsverfahren. Die Berufungsgebühr wurde um die Hälfte reduziert. Das Gericht stellte insbesondere eine gravierende Aufklärungspflichtverletzung fest. (LG Kempten, Urteil vom 08.10.2020 – 3 Ns 111 Js 10508/14)

Unzureichende Aufklärung: Landgericht Wuppertal spricht 20.000 Euro Schmerzensgeld zu

Das Landgericht Wuppertal sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro zu, da er vor einer großflächigen Gewebeentnahme an der Zunge im Jahr 2018 nicht ordnungsgemäß über den Umfang des Eingriffs aufgeklärt worden war. Zwar war der Eingriff medizinisch indiziert, jedoch hatte der Kläger in der irrigen Annahme zugestimmt, es handle sich lediglich um eine punktuelle Probeentnahme. Das Gericht verwarf den Einwand der Klinik, der Kläger hätte sich auch bei vollständiger Aufklärung für den Eingriff entschieden (hypothetische Einwilligung), und sah die gesundheitlichen Folgen – insbesondere Mundtrockenheit, Sprechstörung und eingeschränkte Nahrungsaufnahme – als Folge einer mangelhaften Aufklärung an. (Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 10.01.2024 – 2 O 296/21)

Unzureichende Risikoaufklärung bei Koloskopie: OLG Hamm spricht 220.000 Euro Schmerzensgeld zu

Ein Arzt haftet wegen unzureichender Risikoaufklärung vor einer Koloskopie, bei der es zur Darmperforation mit schweren Folgekomplikationen kam. Die allgemeine Formulierung „unvermeidbare nachteilige Folgen“ genügte nicht, um über das spezifische Risiko der Perforation aufzuklären. Das Oberlandesgericht Hamm sprach dem Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 220.000 Euro sowie materiellen Schadensersatz zu. Zudem wurde die Ersatzpflicht für zukünftige Schäden festgestellt. Eine hypothetische Einwilligung wurde vom Gericht abgelehnt, da der Kläger einen plausiblen Entscheidungskonflikt darlegen konnte. (OLG Hamm, Urteil vom 18.06.2013 – 26 U 85/12)

Arzt haftet bei Wahl einer riskanteren Therapie ohne Aufklärung

Ein Arzt wählte bei der Behandlung eines Basalzellkarzinoms eine fotodynamische Therapie statt der medizinisch indizierten chirurgischen Standardbehandlung („Golden Standard“), ohne den Patienten ausreichend über Alternativen und Risiken aufzuklären. Der Patient hatte ausdrücklich eine Operation gewünscht. Das Oberlandesgericht Hamm stellte fest, dass diese Abweichung ohne hinreichende medizinische Begründung und ohne Aufklärung einen groben Behandlungsfehler darstellt. Aufgrund dessen kommt dem Patienten eine Beweislastumkehr zugute. Der Arzt wurde zu Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 Euro sowie Schadensersatz und Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden verurteilt. (OLG Hamm, Urteil vom 25.02.2014 – 26 U 157/12)

FAQ

Was ist eine informierte Einwilligung?

Die informierte Einwilligung (engl.: „Informed Consent“) bezeichnet die freiwillige Zustimmung einer Person zu einer medizinischen Maßnahme, Therapie oder Forschungsteilnahme nach umfassender, verständlicher und individueller Aufklärung. Sie ist rechtlich verpflichtend, ethisch notwendig und schützt die Autonomie und Würde der Betroffenen.

Die Kernelemente einer informierten Einwilligung sind: 
Freiwilligkeit: Die Entscheidung erfolgt ohne Zwang oder unzulässigen Druck.
Aufklärung: Informationen über Zweck, Ablauf, Risiken, Alternativen und Folgen werden klar und verständlich vermittelt.
Verständnis: Die Person muss die Informationen nachvollziehen können; Rückfragen sind bei Bedarf möglich.
Einwilligungsfähigkeit: Die betroffene Person muss die Tragweite der Entscheidung erfassen können.
Widerrufbarkeit: Eine Einwilligung kann jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden.

Ist die alleinige Verwendung von Patientenaufklärungsbögen rechtlich zulässig?

Nein, Patientenaufklärungsbögen allein genügen rechtlich nicht für eine ordnungsgemäße Patientenaufklärung. Sie können zwar als unterstützendes Mittel dienen, ersetzen jedoch nicht das persönliche ärztliche Aufklärungsgespräch.

Nach der geltenden Rechtslage, insbesondere gemäß § 630e BGB, muss die Aufklärung mündlich durch eine zur Aufklärung befähigte Person erfolgen. Der Aufklärungsbogen kann dabei als Dokumentationshilfe und Gesprächsgrundlage dienen, darf jedoch nicht als alleinige Maßnahme verwendet werden, da dies dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten nicht hinreichend Rechnung trägt.

Die schriftliche Dokumentation trägt jedoch zur besseren Nachvollziehbarkeit und rechtlichen Absicherung bei. Sie kann im Streitfall den Beweis erleichtern, dass eine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden hat, wodurch die Haftungslage für den Behandelnden klarer geregelt ist.

Wie gelingt die rechtssichere Aufklärung fremdsprachiger Patienten?

Ärzte müssen bei fremdsprachigen Patienten eine sprachlich und inhaltlich verständliche Aufklärung sicherstellen. Versteht der Patient kein ausreichendes Deutsch, muss eine sprachkundige Person (z. B. MFA oder Dolmetscher) hinzugezogen und vom Patienten akzeptiert werden. Die Verantwortung liegt beim Arzt. Fehlende Verständlichkeit kann rechtliche und strafrechtliche Folgen haben. Es wird empfohlen, den Übersetzer schriftlich zu dokumentieren und zusätzliche visuelle Hilfsmittel zu nutzen.

Wann darf bei nicht einwilligungsfähigen Patienten ohne Aufklärung behandelt werden?

Bei Patienten, die aufgrund ihres Gesundheitszustands – etwa infolge von Bewusstlosigkeit oder schwerer kognitiver Einschränkung – nicht einwilligungsfähig sind, greift das medizinrechtliche Instrument der mutmaßlichen Einwilligung. Dabei handelt es sich um eine gesetzlich anerkannte Ausnahme vom Grundsatz der vorherigen Aufklärung und Einwilligung. Ärzte dürfen in solchen Fällen eine medizinisch indizierte Behandlung vornehmen, wenn anzunehmen ist, dass der Patient in Kenntnis der Umstände eingewilligt hätte. Grundlage hierfür sind frühere Äußerungen, bekannte Wertvorstellungen oder schriftliche Patientenverfügungen. Gibt es einen gesetzlichen Vertreter oder einen rechtlichen Betreuer mit entsprechendem Aufgabenkreis, ist dessen Einwilligung einzuholen – sofern die Zeit es zulässt. In akuten Notfällen mit Lebensgefahr kann und muss hingegen ohne vorherige Einwilligung gehandelt werden. Die ärztliche Aufklärungspflicht lebt jedoch wieder auf, sobald der Patient wieder einwilligungsfähig ist oder ein vertretungsberechtigter Dritter verfügbar wird.

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Autor: Nils Buske, zuletzt aktualisiert am